Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen: Die Bundesregierung und die Personalpolitik in deutschen Krankenhäusern




Immer mehr Kliniken lagern Personal in Servicegesellschaften aus, um Geld zu sparen: Das geht meist auf Kosten der Beschäftigten und der Gesundheit der Patientinnen und Patienten.

Corona: Arbeitsschutz

Die Coronakrise hat an vielen Stellen Missstände offengelegt. So auch die Gefahren, die entstehen können, wenn die Versorgung der Patientinnen und Patienten durch den massiven Anstieg von Outsourcing in Kliniken und Krankenhäusern beeinträchtigt wird.

Outsourcing, also das Auslagern diverser Arbeitsbereiche in untergeordnete Servicegesellschaften, gehört zu einer der gravierendsten Fehlentwicklungen in den Krankenhäusern. Unsere Kleine Anfrage hat ergeben, dass sich die Personalausgaben in diesen Bereich zwischen 2010 und 2018 verdoppelt haben. Aufgrund der Daten von der Bundesregierung gehen wir davon aus, dass rund 200.000 Beschäftigte in ausgegliederten Servicegesellschaften der Kliniken arbeiten. Der Zweck ist ein Unterlaufen von Tarifverträgen und die Konsequenz somit eine Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Als Linke unterstützen wir die Forderung „Ein Haus, ein Tarif“. Es ist nicht erklärbar, warum Mitarbeitende der Stammbelegschaft mehr verdienen oder anders angestellt sind als ihre Kolleginnen und Kollegen der Servicegesellschaften.

In zahlreichen Gesprächen mit den engagierten Betriebsräten der Mannheimer Kliniken wurde deutlich, dass belastbare Daten fehlen, um diesen Missstand zu benennen und diese Fehlentwicklung zu stoppen. Mit unserer Kleinen Anfrage haben wir die Bundesregierung aufgefordert, die Grundalgen dafür zu schaffen und Zahlen zu liefern.

Schockierenderweise zeigt die Antwort der Bundesregierung vor allem eins: Unwissen. An vielen Stellen „fehlt der Bundesregierung jegliche Kenntnisse“ beziehungsweise wollen sie diese nicht preisgeben. Ihr Umgang beweist ihre Tatenlosigkeit, denn sie scheint es außerdem nicht einmal für nötig zu halten, diese Entwicklung zu erforschen, geschweige denn zu stoppen.

Outsourcing in Krankenhäusern: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen

Wir verfügen nach wie über keine verlässlichen Daten zu Umfang und Auswirkungen dieser Fehlentwicklungen. Die Bundesregierung interessiert sich schlichtweg nicht dafür, wie viele Beschäftigte zu welchen Bedingungen in den Tochtergesellschaften arbeiten. Das Unwissen und die Ignoranz schockieren mich. Statt genau hinzuschauen und Missstände zu beheben, hält sich die Bundesregierung lieber an die drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Für verlässlichen Arbeitsschutz und gute Arbeitsbedingungen brauchen wir diese Zahlen und die Bundesregierung ist in der Pflicht, sie zu ermitteln.

Migrantische Beschäftigte in Servicegesellschaften – noch mehr offene Fragen

Als Sprecherin für Migration verfolge ich die Situation der migrantischen Beschäftigten genau. Gerade nachdem wir im letzten Jahr erlebt haben, dass ausländische Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter etwa in der Spargelernte oder in der Fleischindustrie viel schlechter vor der Pandemie geschützt wurden. Die Folge waren mehr Infektionen und mehr Todesfälle. Der Arbeitsschutz gerade für alle Beschäftigten muss genau geprüft werden. Dies gilt auch für Arbeiter*innen aus dem Ausland, weil sie hier Gefahr laufen, ausgenutzt oder schlechter behandelt zu werden.

Wir wissen, dass zahlreiche Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland in systemrelevanten Berufen arbeiten und die Gesellschaft so am Laufen halten. Auf dem Bau, in der Fleischindustrie, in der Reinigung, sowie in den pflegenden Berufen und Krankenhäusern. Expertinnen erklären sogar, dass „ohne die ausländischen Fachkräfte die pandemiebedingten Herausforderungen nicht so gut hätten gemeistert werden können“.

Gleichzeitig wissen wir, dass migrantische Beschäftigte öfter in prekären Arbeits- beziehungsweise Anstellungsverhältnissen arbeiten und etwa in der Altenpflege 14 Prozent weniger verdienen als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen (vgl. Mediendienst Integration sowie Bundesagentur für Arbeit). Es fehlt ein umfassender und aussagekräftiger Überblick. Denn das Geflecht von ausgegliederten Servicegesellschaften und Tochterunternehmen gepaart mit unterschiedlichen Aufenthaltsstatus ist ein nicht mehr zu durschauendes Konstrukt. Im Kontext unserer Kleinen Anfrage hätten wir unter anderem Antworten zur Beschäftigung von Menschen mit Migrationsgeschichte in Krankenhäusern erwartet. Die Bundesregierung gibt an, keine Zahlen zu haben. Die Taktik der „drei Affen“ soll über die offensichtlichen Probleme hinwegtäuschen. Damit werden wir uns aber nicht zufriedengeben. Wir werden weiter gemeinsam mit den Gewerkschaften und Betriebsräten für die an sich einfachen Grundsätze „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und „ein Betrieb ein Tarif“ kämpfen.


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