Meine Frage an die Bundesregierung


Schriftliche Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut für den Monat September

(Monat September 2020, Arbeits-Nr. 9/135)

Frage für den Monat September

In welchen Ländern (bitte namentlich auflisten) gibt es derzeit keine Möglichkeit, ein Sprachzertifikat über einfache deutsche Sprachkenntnisse, wie im Rahmen der Regelung zum Ehegattennachzug nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz verlangt, zu erlangen, das von den deutschen Visastellen akzeptiert wird (z.B. weil die Goethe-Institute vor Ort keinen entsprechenden Test anbieten oder geschlossen haben), und warum wird in diesen Ländern vor dem Hintergrund des grundrechtlich gebotenen Schutzes der Familie nicht grundsätzlich vom Nachweis deutscher Sprachkenntnisse abgesehen, weil es nach meiner Einschätzung von vornherein nicht zumutbar ist, die Betroffenen auf eine – mutmaßlich kostspielige und womöglich auch gefährliche – Reise ins Ausland zu verweisen, soweit dies angesichts der corona-bedingten Reisebeschränkungen überhaupt möglich ist, zumal der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. Juli 2015 in der Rechtssache C-153/14 festgestellt hat, dass im konkreten Fall Kosten in Höhe von 460 Euro unverhältnismäßig hoch waren und gegen EU-Recht verstießen, wobei Sprachkurs- und Prüfungs- sowie Reisekosten zu berücksichtigen sind (bitte ausführlich begründen)?

Antwort der Bundesregierung

Hinsichtlich der 28 Länder im Sinne der Fragestellung ist der Erwerb eines Sprachzertifikates nach Kenntnis des Auswärtigen Amts derzeit möglich in Albanien, Algerien, Belarus, Bosnien und Herzegowina, China, Indien, Irak, Jordanien, Kosovo, Marokko, Mexiko, Nordmazedonien, Serbien, Thailand, Tunesien, Vietnam sowie in der Russischen Föderation, der Türkei, der Ukraine und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

In Ägypten, Iran, Kasachstan und Pakistan ist eine Wiederaufnahme der Prüfungen in Kürze geplant. In Äthiopien, Libanon, Nigeria und auf den Philippinen besteht die Möglichkeit derzeit nicht.

Mit dem Erfordernis des § 30 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz, einfache Sprachkenntnisse nachzuweisen, sollen die Betroffenen dazu angeregt werden, sich bereits vor der Einreise einfache Deutschkenntnisse anzueignen und hierdurch ihre spätere Integration im Bundesgebiet zu erleichtern. In seinem Beschluss vom 25. März 2011 bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass der Gesetzgeber mit der Obliegenheit, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache vor Zuzug in das Bundes-gebiet zu erwerben, ein legitimes Ziel verfolgt, nämlich die Integration von Ausländern und Ausländerinnen zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Ein generelles Absehen von Sprachnachweisen ist gesetzlich nicht vorgesehen.

§ 30 Absatz 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz sieht Ausnahmen vom Erfordernis der Sprachkenntnisse vor. So ist für den Nachzug zum im Bundesgebiet lebenden Stammberechtigten der Nachweis einfacher Deutschkenntnisse nicht erforderlich, wenn es dem Ehegatten oder der Ehegattin aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen. Dies ist nach der bisherigen Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn Sprachkurse in dem entsprechenden Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist. Auch die Verfügbarkeit von (Online-) Lernangeboten und Möglichkeiten zum Ablegen von Sprachprüfungen sowie Kosten, Erreichbarkeit und persönliche Umstände sind bei der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen. Dies wird von den Visastellen in jedem Einzelfall geprüft. Dabei können Bemühungen um einen Spracherwerb grundsätzlich auch dann zumutbar sein, wenn Sprachzertifikate zwar nicht im Herkunftsland, aber beispielsweise in einem nahe gelegenen Nachbarland erworben werden können.

Innerhalb der Bundesregierung finden zudem Gespräche statt, wie auch im Kontext der gesetzlichen Anforderung von Sprachkenntnissen auf die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie reagiert werden kann. Gemeinsam mit dem Goethe-Institut werden aktuell Lösungen gesucht, Online-Sprachprüfungen zu ermöglichen, soweit dies nicht bereits vor Ort angeboten wird.

Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs anlässlich einer Klage gegen die Niederlande vom 9. Juli 2015 stellte dieser fest, dass ein Mitgliedstaat von Drittstaatsangehörigen beim Familiennachzug verlangen kann, eine Prüfung erfolgreich abzulegen, bei der Grundkenntnisse zu Sprache und Gesellschaft des betreffenden Mitgliedstaats beurteilt werden und für die Kosten zu begleichen sind, bevor die Einreise erlaubt wird. Dabei dürfen die Voraussetzungen die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Welche Kos-ten für den Erwerb einfacher Sprachkenntnisse zumutbar sind, wird von den Visastellen im Einzelfall geprüft.

 


Antwort aufrufen

Weitere Beiträge: