Meine Frage an die Bundesregierung


Schriftliche Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut für den Monat Juli

(Monat Juli 2020, Arbeits-Nr. 7/007)

Frage für den Monat Juli

Wie ist die in einem mir vorliegenden Einzelfall geäußerte Auffassung des Referats 509 des Auswärtigen Amtes, wonach die Härtefallregelung nach § 30 Abs 1 Satz 3 Nr. 6 Aufenthaltsgesetz zu Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug nur angewandt werden könne, wenn ein Tatbestand vorliege, „der über die Schwierigkeiten, die andere Antragsteller aus dem Jemen haben, hinausgeht,“ mit der Gesetzesbegründung (vgl. Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 18 (4)344, S. 9f, wonach bei der Frage, ob wegen Unzumutbarkeit von vornherein oder nach einjährigem Bemühen auf Sprachnachweise verzichtet werden muss, Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden sollen, wobei beispielhaft auch „die Erreichbarkeit von Sprachkursen oder die zumutbare tatsächliche Verfügbarkeit eines Sprachlernangebotes“ genannt werden, aber keine Rede davon ist, dass die
Besonderheiten über die allgemeine Situation hinaus gehen müssten)und mit der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs (vgl. die Vorbemerkungen auf den Bundesdrucksachen 18/9651 und 18/13600), die solche erhöhten Anforderungen im Sinne einer „außergewöhnlichen Härte“ (wie etwa in §36 Abs. 2 AufenthG) ebenfalls nicht vorsehen, vereinbar (bitte ausführlich begründen) und inwieweit hält es die Bundesregierung für zumutbar, Ehegatten aus dem Jemen trotz der Bürgerkriegslage und der allgemein katastrophalen und durch
die Corona-Pandemie noch einmal verschärften Lebenssituation dort und obwohl auch keine Sprachkurse oder –prüfungen des Goethe-Instituts im Jemen angeboten werden darauf zu verweisen, dass sie den geforderten Deutsch-Nachweis erbringen müssen oder „leider abwarten“ sollen „bis Sprachprüfungen wieder möglich sind“ (so in dem mir vorliegenden Fall, bitte begründen)? 

Antwort der Bundesregierung

Bei der Visumvergabe sind die deutschen Auslandsvertretungen an die gesetzlichen Voraussetzungen gebunden, die sich insbesondere aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ergeben. Grundsätzlich gilt gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG, dass bei einem Nachzug eines Ehegatten nach Deutschland ein Sprachnachweis zu erbringen ist. Grund für diese Regelung, die 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen wurde, war die Überlegung, dass deutsche Sprachkenntnisse die Integration erleichtern, da diese eine wesentliche Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben sind.
Für besonders gelagerte Einzelfälle sieht § 30 AufenthG zahlreiche Ausnahmemöglichkeiten vom Nachweis deutscher Sprachkenntnisse vor. Die in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 – 8 AufenthG abschließend geregelten Ausnahmetatbestände werden bei der Antragstellung im Einzelfall geprüft. Dabei obliegt es dem Antragsteller, den jeweils angegebenen Ausnahmetatbestand nachzuweisen.
Zu den vorgesehenen Ausnahmen gehören auch sogenannte Härtefälle, in denen vom Sprachnachweis abgesehen werden kann, wenn es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb deutscher Sprachekenntnisse zu unternehmen. Diese „Härtefallklausel“ wurde aufgrund der in der Fragestellung referenzierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 09.07.2015 – Rs. C-153/14) am 1.August 2015 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen und trägt auch den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 4. September 2012 – 10 C 12.12) Rechnung.
Bemühungen zum Spracherwerb sind insbesondere dann unmöglich oder unzumutbar, wenn Sprachkurse in dem entsprechenden Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen. Dabei werden auch die Verfügbarkeit von Lernangeboten, die Erreichbarkeit und deren Kosten sowie persönliche Umstände berücksichtigt. Bei eingeschränkter Verfügbarkeit von Lernangeboten (Beispiel: Sprachkurse werden nur in der Hauptstadt angeboten) fließt in die Verhältnismäßigkeitsprüfung ein, ob und gegebenenfalls wie ein selbstständiger Erwerb von einfachen Deutschkenntnissen mit audiovisuellen Lernprogrammen, online oder Büchern zumutbar ist. Es steht nachzugswilligen Ehegatten frei, Form und Anbieter für Lehrangebote zum Spracherwerb selbst zu wählen. Der Grundsatz, dass für den Ehegattennachzug ein Sprachnachweis vorzulegen ist, gilt auch für jemenitische Staatsangehörige. Jedoch werden bei der Prüfung des Einzelfalls selbstverständlich die schwierige Lage in Jemen und die sich daraus ergebenden Hürden für den Erwerb von Deutschkenntnissen berücksichtigt. Den deutschen Auslandsvertretungen in der Region sind die schwierigen Umstände in Jemen – auch im Zusammenhang mit den Reisebeschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie – bekannt. Es wird in jedem Einzelfall wohlwollend geprüft, ob
eine der gesetzlichen Ausnahmeregelungen zutreffen könnte, und die Antragsteller werden entsprechend beraten. Die Antragsteller müssen jedoch entsprechende Nachweise vorlegen, die den Ausnahmetatbestand belegen. Es ist den Antragstellern aus Jemen in der Regel möglich, sich durch vor Ort angebotene Sprachkurse oder durch Online-Kurse, Lehrbücher und/oder Audio-Angebote Deutschkenntnisse anzueignen. Da Sprachschulen in Jemen keine Sprachzertifikate eines anerkannten Prüfungsanbieters ausstellen, wird die Sprachprüfung im Regelfall bei einem zertifizierten Prüfungsanbieter in der Region abgelegt, soweit dieses Corona-bedingt geöffnet ist.
Wird dargelegt, dass die Teilnahme an einer Sprachprüfung nicht möglich ist, kann die Prüfung von Deutschkenntnissen in besonderen und begründeten Ausnahmefällen auch an einer Auslandsvertretung in der Region erfolgen.


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