Der Brand in Moria – das Versagen der EU


Antrag

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heike Hänsel, Michel Brandt, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, Niema Movassat, Petra Pau, Martina Renner, Friedrich Straetmanns und der Fraktion DIE LINKE.

Konsequenzen aus dem Brand in Moria ziehen – Lager auf den griechischen Inseln auflösen und Geflüchtete in Deutschland aufnehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

  1. In der Nacht zum 9. September 2020 wurde der sogenannte EU-Hotspot Moria auf der griechischen Insel Lesbos durch mehrere Brände fast vollständig zerstört. Tausende Schutzsuchende sind dadurch obdachlos geworden und nun völlig auf sich gestellt. Der verheerende Brand ist eine Katastrophe mit Ansage: Seit etwa einem Jahr gibt es Initiativen und Forderungen unterschiedlichster Akteure, die Hotspot-Lager der EU aufzulösen und die dort gestrandeten Geflüchteten auf andere EU-Mitgliedstaaten zu verteilen. Das Lager Moria war für etwa 2.800 Menschen ausgelegt, zuletzt lebten dort fast 13.000 Menschen, ein Drittel von ihnen Kinder und Jugendliche. Die Lebensbedingungen in dem Lager waren nach übereinstimmender Einschätzung, etwa von vor Ort tätigen Hilfsorganisationen, schlicht unmenschlich und eine Schande für Europa. Es gab zudem konkrete Warnungen, dass ein Ausbreiten der Corona-Pandemie in dem Lager zu unkontrollierbaren Zuständen führen würde, weil es den Menschen unmöglich sein würde, die gebotenen Schutz-, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Über Monate hinweg wurde das Lager zur Abwendung von Infektionen abgeriegelt, für die Bewohnerinnen und Bewohner bedeutete dies eine zusätzliche extreme Belastung. Nachdem erste Infektionen im Lager festgestellt wurden, mussten die Geflüchteten eine rasche Verbreitung des Virus im Lager fürchten. Eine sofortige Evakuierung der nach den Bränden mehrfach traumatisierten Menschen und ihre Verbringung in eine sichere und menschenwürdige Umgebung ist nach all dem nicht zuletzt ein Gebot der Menschlichkeit.
  2. Bei den Ereignissen in Moria handelt es sich nicht um eine Naturkatastrophe, sondern um politisch gewollte Zustände. Die unerträglichen Lebensbedingungen sind die Folge politischen Handelns, sie wurden im Rahmen einer auf Abschreckung und Abschottung setzenden Politik der EU produziert und in Kauf genommen. Dass es der wohlhabenden Europäischen Union mit ihren 450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nicht gelungen ist, für wenige zehntausend Schutzsuchende menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu schaffen und faire und rechtsstaatliche Asylverfahren zu organisieren, ist eine menschenrechtliche Bankrotterklärung. Die Uneinigkeit innerhalb der Europäischen Union in der Asylpolitik ist jedoch keine Rechtfertigung dafür, nicht alles Mögliche zu tun, um die akute Notlage auf den griechischen Inseln zu beenden. Der Bundestag kritisiert diesbezüglich die Haltung des Bundesinnenministers, der konkrete Aufnahmeinitiativen der Bundesländer Berlin und Thüringen verhindert hat mit der Begründung, es bedürfe einer europäischen Lösung – die aber nicht in Sicht ist. Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, heißt es oftmals, doch im letzten Jahr lag die Zahl der durch Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge unter dem Strich bei gerade einmal 95.000 Menschen – und damit sogar noch weit unterhalb des im Koalitionsvertrag vereinbarten Korridors von bis zu 220.000 Menschen im Jahr (vgl. Bundestagsdrucksache 19/21802). Wir streben eine europäische Lösung an, aber solange diese nicht kommt, muss Deutschland voran gehen. Schließlich war es auch die Bundesregierung, die den sogenannten Flüchtlingsdeal mit Erdogan vorangetrieben hat und aufgrund dessen der Hotspot Moria eingerichtet wurde. Die bisherige Zusage der Bundesregierung zur Aufnahme von nicht einmal 1.000 Menschen aus den griechischen Hotspots ist aus Sicht des Bundestages vor diesem Hintergrund völlig inakzeptabel.

 

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

  1. in einem ersten Schritt die rund 13.000 Menschen, die durch die Brände in Moria obdachlos geworden sind, aufzunehmen, soweit diese nicht in andere aufnahmebereite Länder möchten; die Bundesregierung kann sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Initiativen zahlreicher Bundesländer und Kommunen stützen,
  2. sich auf EU-Ebene für die Abschaffung des Hotspot-Systems, die Auflösung aller Hotspot-Lager und für eine finanzielle Unterstützung der auf den griechischen Inseln betroffenen Bevölkerung einzusetzen,
  3. die Schutzsuchenden aus diesen Lagern im Rahmen eines fairen Aufnahmesystems auf andere EU-Mitgliedstaaten zu verteilen; dabei müssen die Interessen und bestehende soziale Kontakte der Geflüchteten zentral berücksichtigt werden.

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