Entzug der Staatsangehörigkeit – Kein Abschieben von Verantwortung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir debattieren heute über das Dritte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Bereits 1999 hat man mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts die Möglichkeit geschaffen, Personen die Staatsangehörigkeit zu entziehen, die sich an Kampfhandlungen ausländischer Staaten beteiligt haben. Auch damals war das politisch fatal und die falsche Entscheidung, so wie der Gesetzentwurf, der heute vorliegt.
In Bezug auf die Behandlung von IS-Kämpfern darf es keine Unterscheidung zwischen Personen mit einfacher deutscher Staatsangehörigkeit oder doppelter Staatsangehörigkeit geben.
Egal, ob IS-Kämpfer eingebürgert wurden oder von Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen: Sie alle sollten ein Strafverfahren bekommen und für ihre Gräueltaten bestraft werden.
Es darf hierbei keine Deutschen erster und zweiter Klasse geben.
Ausbürgerungen halten wir für geschichtsvergessen, migrationspolitisch katastrophal und verfassungswidrig.
Erst werden es die IS-Kämpfer mit doppelter Staatsangehörigkeit sein, die Sie ausbürgern. Darauf folgen irgendwann weitere Gruppen, die Sie gerade loswerden wollen. Diese Sonderbehandlung ist menschenrechtlich nicht vertretbar.
Laut § 28 des Gesetzentwurfs sollen Personen, die außer der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, ausgebürgert werden, wenn sie sich im Ausland an konkreten Kampfhandlungen einer Terrormiliz beteiligen. Dazu wird unter anderem eine Legaldefinition des Begriffs „Terrormiliz“ geschaffen. Eine solche Definition im Staatsangehörigkeitsrecht unterzubringen, halten wir für sehr fragwürdig. Die Definition im Gesetzentwurf bleibt beliebig ausdehnbar und ist viel zu schwammig.
Die zentrale Frage aber ist, wer die Einschätzung einer konkreten Beteiligung von Kampfhandlungen in einer Terrormiliz vornehmen soll. Diese Untersuchungen müssten von einem neutralen Akteur transparent und justiziabel gestaltet werden.
Was ist Ihre Antwort darauf? Wie soll das funktionieren?
Die Bundesregierung behauptet in ihrem Gesetzentwurf, dass Kämpfer der kurdischen YPG und YPJ, die in Nordsyrien gegen den IS kämpfen, nicht unter die Anwendung des Gesetzes fallen, weil ihre Handlungen völkerrechtlich gerechtfertigt seien. Das begrüßen wir natürlich. Aber ist das nicht absurd? Während in Deutschland, insbesondere in Bayern, weiterhin Symbole der YPG strafrechtlich verfolgt werden und kurdische Organisationen weiterhin kriminalisiert werden, wird der Kampf der Kurdinnen und Kurden in Syrien in der Anti-IS-Allianz begrüßt. Das ist heuchlerisch gegenüber den Kurdinnen und Kurden in Syrien.
Die Deutungshoheit scheint hier beliebig zu sein und kann sich in Zukunft je nach politischer Lage verändern. Diese Unsicherheit akzeptieren wir Linke nicht. Wir Linke sagen, dass alle deutschen IS-Kämpfer ein rechtsstaatliches Verfahren bekommen sollen – entweder hier in Deutschland oder, wie die Verbände vor Ort fordern, vor einem internationalen UN-Sondertribunal.
Der Entzug der Staatsangehörigkeit fördert diesen Zweck jedenfalls nicht. Das eröffnet die Möglichkeit, dass es einen Wettlauf der Staaten untereinander gibt, Menschen die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Das kann es doch nicht sein.
Ich weiß ja, Herr Seehofer: Sie schieben gerne ab, besonders an ihrem Geburtstag. Aber diese Angelegenheit kann man nicht einfach so abschieben. Hier darf sich Deutschland der Verantwortung nicht entziehen. Dieser populistische Gesetzentwurf unterminiert die damals eingeführten Lockerungen im Abstammungsrecht und führt so die Abstammungslehre durch die Hintertür wieder ein. Wir Linke stimmen entschieden dagegen.