IS-Anhänger mit Deutschlandbezug


Die Bundesregierung darf sich nicht weiter vor ihrer Rückholungsverpflichtung deutscher Dschihadisten drücken. Immer wieder haben kurdische Stellen die Rücknahme der deutschen Staatsangehörigen angemahnt, die in syrischen Gefangenenlagern festgehalten werden. Dass bislang nur zwölf deutsche Frauen und 42 Minderjährige zurückgeholt wurden, ist absolut inakzeptabel. Auch die noch verbliebenen Anhängerinnen und -Anhänger des sogenannten Islamischen Staates (IS) aus Deutschland müssen sich hier vor Gericht für ihre Gräueltaten verantworten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf Befreiungsversuche durch IS-Einheiten, wie jüngst bei einem Gefängnis im nordsyrischen Hasakeh.

Was die 111 Minderjährigen betrifft, dürfen sie nicht für die Handlungen ihrer Eltern in Sippenhaft genommen werden. Diese Kinder müssen allein aus humanitären Gründen dringend nach Deutschland geholt werden. Dazu muss die Bundesregierung sich ohne falsche Rücksichtnahme auf die Türkei unmittelbar und offiziell mit den kurdischen Selbstverwaltungsstellen in Verbindung setzen. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung weder ihrer Rückholverpflichtung nachkommt, noch die Forderung der Nordostsyrischen Selbstverwaltung nach einem internationalen UN-Sondertribunal in Nordostsyrien aufgreift.

Mündliche Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut

(Fragestunde im Deutschen Bundestag am 16. Februar 2022, Frage-Nr. 52)

Wie viele IS-Anhänger und IS-Anhängerinnen und Kinder mit Deutschlandbezug befinden sich nach Kenntnissen der Bundesregierung derzeit im Irak und in Syrien in Gefangenschaft oder Gewahrsam (bitte den Deutschlandbezug aufschlüsseln, Staatsangehörigkeit(en) benennen und angeben, ob es sich um Männer, Frauen oder Minderjährige handelt, und benennen, wie viele dieser Personen im Verdacht stehen, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein), und welche dieser IS-Anhänger und IS-Anhängerinnen und Kinder mit Deutschlandbezug hat die Bundesregierung bereits nach Deutschland zurückgeholt (bitte den Zeitpunkt der Rückholung angeben und benennen, gegen wie viele dieser Personen Ermittlungen bzw. Strafverfahren wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen eröffnet bzw. abgeschlossen wurden)?

Antwort der Bundesregierung

Das Bundeskriminalamt hat Kenntnis von derzeit 97 im Irak und in Syrien inhaftierten bzw. sich dort in Gewahrsam befindlichen Erwachsenen (davon 47 weiblich und 50 männlich), die eine Zugehörigkeit oder einen Bezug zum sogenannten Islamischen Staat (IS) oder einer anderen terroristischen Organisation aufweisen und mindestens 111 zugeordneten Minderjährigen. Im Fall von 65 Minderjährigen liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben. 64 der 97 Erwachsenen sind deutsche Staatsangehörige, 24 der 64 besitzen eine doppelte Staatsangehörigkeit. Darüber hinaus besitzen zwei der 97 Personen die afghanische, drei die bosnisch-herzegowinische, drei die marokkanische, vier die russische, eine die serbische, zwei die syrische, fünf die tunesische und zwölf die türkische Staatsangehörigkeit; eine Person ist staatenlos. Bei diesen aufgezählten 33 Personen besteht der Deutschlandbezug darin, dass die Ausreise aus Deutschland erfolgte. 15 der 97 Erwachsenen stehen im Verdacht, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Bislang wurden zwölf deutsche Frauen und 42 Minderjährige von der Bundesregierung aus den Gewahrsamslagern in Nordostsyrien zurückgeholt. Die Rückholungen fanden im August und November 2019, im Dezember 2020 und zuletzt im Oktober 2021 statt. Bei fünf dieser Personen sind oder waren die vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geführten Ermittlungen im Schwerpunkt auf den Tatvorwurf der Begehung eines Kriegsverbrechens nach den §§ 8 ff. des Völkerstrafgesetzbuchs gerichtet.


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