Gökay Akbulut

Institutionelle Diskriminierung für Schutzsuchende im „Dublin-Verfahren“

Recht auf Zugang zum Recht!

Zwischen Januar und Anfang Mai 2018 wurden 67 % der Aufnahmeersuchen von Griechenland an Deutschland im Rahmen des Dublin-III-Verordnung Verfahrens abgelehnt. Für die Betroffenen, darunter viele unbegleitete minderjährige Schutzsuchende, bedeutet dies, dass sie nicht zu ihren Familienmitgliedern nach Deutschland kommen dürfen. Dabei ist klar, ein Ankommen und eine gesellschaftliche Teilhabe ist nur möglich, wenn die Schutzsuchenden nicht in Gedanken bei ihren Kindern oder Ehepartner*innen sind. Diese Ablehnungen führen dazu, dass die Geflüchteten weiter in miserablen Zuständen in den sog. Hotspots an der EU-Außengrenze in Griechenland ausharren müssen.

Grundsätzlich ist der Mitgliedstaat der EU für das Asylverfahren zuständig, in dem der oder die Antragsteller*in zuerst einreist. Viele ankommende Schutzsuchende stehen plötzlich vor der Situation, dass ihre Kinder oder Ehepartner*innen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat als sie selbst landen. In diesen Fällen besteht nach der Dublin-III-Verordnung die Möglichkeit einer Familienzusammenführung. Dazu muss der Staat, in dem sich die antragstellende Person befindet, ein Aufnahmeersuchen an den Staat richten, in dem sich das enge Familienmitglied befindet.

Das erschreckende Ergebnis der Antwort auf meine schriftliche Frage an die Bundesregierung ist: 67 % aller Aufnahmeersuchen von Griechenland an Deutschland von Januar bis Anfang Mai 2018 wurden abgelehnt. Die Ablehnung des Aufnahmeersuchens erfolgt jedoch häufig rechtswidrig. So auch in einem Fall, den ich als Abgeordnete im Bundestag unterstütze. Die Familie, die in einem der Hotspots auf den griechischen Inseln angekommen ist, hat Kinder in Deutschland, die einen Aufenthaltstitel besitzen. In ihrem Fall besteht nach der Dublin-III-Verordnung die Möglichkeit auf Familienzusammenführung. Das BAMF hat einem Ersuchen vom griechischen Staat jedoch nicht stattgegeben und begründet dies damit, dass keine ordnungsgemäße Übersetzung der erforderlichen Dokumente vorliegen würde. Das ist ein Skandal und eine rechtswidrige Rechtsverweigerung! Es ist in den bestehenden Regelungen nicht vorgesehen, dass die Antragsteller*innen eine Übersetzung ihrer Dokumente liefern müssen. Berichten von NGOs zufolge sollen zahlreiche solcher Anträge mit dieser oder anderen rechtswidrigen Begründungen vom BAMF abgelehnt werden. Das zeigt, dass das Dublin System derzeit nicht funktioniert und viele Antragsteller*innen einer institutionellen Diskriminierung in diesem Verfahren ausgesetzt sind. Die von mir betreute Familie hatte Glück, weil sie – anders als viele Geflüchtete in Griechenland – Zugang zu einer rechtlichen Beratung hatte. Erst die Unterstützung durch die Rechtshilfeorganisation und mein Schreiben ans BAMF konnten diesem rechtswidrigen Zustand abhelfen. Viele andere Betroffene verfügen jedoch nicht über solche Unterstützungsmöglichkeiten.

Für die Menschen, die in Griechenland unter menschenunwürdigen Bedingungen ausharren müssen, ist die Familienzusammenführung häufig der letzte Weg raus aus dem Elend. Die Menschen, die in den Hotspots ankommen, verfügen meistens über keine rechtlichen Unterstützungsangebote und die griechischen Behörden sind immer noch überlastet mit den Verfahren. Ich fordere eine diskriminierungsfreie und effektive Möglichkeit der Familienzusammenführung für alle ankommenden Schutzsuchenden!



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