Familienrecht an Lebenswirklichkeit anpassen – Keine Festschreibung des Wechselmodells


Die Rede ging zu Protokoll

Wir debattieren heute unter anderem Anträge der FDP zum Familienrecht. Insbesondere geht es hier um das Wechselmodell. In ihren
Anträgen fordert die FDP, dass das Familienrecht an die Lebenswirklichkeiten angepasst werden soll. Eine Anpassung an die Lebenswirklichkeiten von Familien erachten wir als sehr richtig und wichtig.
Nur unser Maßstab ist ein anderer als der der FDP. Wir bewerten ein strenges Wechselmodell als problematisch, insbesondere bei jüngeren Kindern im Alter von bis zu vier Jahren, in konflikthaften Situationen, bei häuslicher Gewalt sowie bei fehlender oder unzureichender Kommunikation zwischen den Elternteilen. Die Anträge der FDP stellen nicht das Kind in den Mittelpunkt, sondern die Eltern.

Wir sind der Auffassung, dass eine Einzelfallprüfung bezüglich des Kindeswohles immer entscheidend bleiben muss. Wesentliche Kriterien müssen sein: eine sichere Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen, der geäußerte Kindeswille, äußere Rahmenbedingungen, die Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen.
Es kann keine Lösung durch ein pauschales Modell geben. Eine gerichtliche Anordnung des Wechselmodells
mit Blick auf das Wohl des Kindes sehen wir daher kritisch. Auch eine rechtliche Festschreibung des Wechselmodells als Regelmodell ist aufgrund der Vielzahl von Bedingungen, die erfüllt sein müssten, der falsche Weg.
Im Übrigen existieren keine tragfähigen Regelungen für die Unterhaltsleistungen bei diesem Umgangsmodell.
Das führt vor allem dazu, dass ökonomisch schlechter gestellte Elternteile benachteiligt werden, und das sind im Regelfall die Frauen. Das darf keinesfalls passieren, weshalb wir Ihrem Vorhaben kritisch gegenüberstehen.
Die Fraktion Die Linke fordert deshalb statt einer Festschreibung des Wechselmodells als Regelfall eine Gesetzesänderung, die eine gerichtliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen oder das Wohl des Kindes ausschließt und die Bundesländer auffordert, Schulungen an Gerichten und Jugendämtern im Hinblick auf eine kindgerechte Gestaltung des Gerichtsverfahrens festzuschreiben. Es müssen Modelle zur Unterhaltsermittlung entwickelt werden, die vom tatsächlichen Bedarf des Kindes einschließlich der Mehrkosten ausgehen, die durch das Wechselmodell entstehen, und in den Regelungen im SGB II ist das Konstrukt der temporären Bedarfsgemeinschaft aufzulösen.

Bis zur Ermittlung der tatsächlich durchschnittlich entstehenden Mehrkosten sind Übergangsregelungen zu treffen, die die Länder und Kommunen in die Lage versetzen, eine bedarfsgerechte personelle und sachliche Ausstattung von Jugendämtern sicherzustellen. Außerdem muss geprüft werden, inwieweit Handlungsbedarf im Steuer- und im Melderecht besteht, damit echte Maßnahmen ergriffen werden können, die es Familien erleichtern, eine partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungs-, Haus- und Sorgearbeit vorzunehmen.


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