Verhaftungen und Einreiseprobleme in der Türkei

Wie viele Deutsche sind derzeit in der Türkei festgehalten oder dürfen nicht einreisen? Ich fordere Einblick in Verhaftungen, Ausreisesperren und Meldepflichten deutscher Staatsbürger in der Türkei.

 

Schriftliche Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut

(Monat September 2024, Arbeits-Nr. 24-09-0360)

Wie viele deutsche Staatsangehörige können nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell nicht aus der Türkei zurück nach Deutschland, weil sie entweder dort verhaftet, mit einer Ausreisesperre belegt sind oder regelmäßige Meldepflichten nachkommen müssen, und wie viele deutsche Staatsangehörige haben nach Kenntnis der Bundesregierung eine Einreisesperre in die Türkei (bitte aufschlüsseln nach Verhaftungen, Ausreisesperren aus der Türkei nach Deutschland, regelmäßigen Meldepflichten, Einreisesperren aus Deutschland in die Türkei und Delikten bzw. Deliktsgruppen)?

 

Antwort der Bundesregierung

Nach Kenntnis der Bundesregierung befinden sich derzeit insgesamt 77 deutsche Staatsangehörige (darunter mindestens 11 deutsch-türkische Doppelstaater) in der Republik Türkei in Haft.

Die Inhaftierung deutscher Staatsangehöriger beruht nach Kenntnis der Bundesregierung in 16 Fällen auf Vorwürfen von Straftaten gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit, in 14 Fällen auf Vorwürfen von Eigentumsdelikten, in sechs Fällen auf Vorwürfen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, in 26 Fällen auf Vorwürfen von Betäubungsmitteldelikten, in zwei Fällen auf dem Vorwurf des Menschenhandels und in 13 Fällen auf Vorwürfen aus Antiterrorgesetzen.

Der Bundesregierung sind darüber hinaus derzeit 61 Fälle von Ausreisesperren gegen deutsche Staatsangehörige in der Republik Türkei bekannt. Diese sind in der Regel mit wöchentlichen Meldeauflagen verbunden.

Die bestehenden Ausreisesperren beruhen nach Kenntnis der Bundesregierung in 14 Fällen auf Vorwürfen von Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit, in 10 Fällen auf Vorwürfen von Eigentumsdelikten, in acht Fällen auf Vorwürfen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, in sechs Fällen auf Vorwürfen von Betäubungsmitteldelikten, in drei Fällen auf dem Vorwurf der Verletzung der persönlichen Ehre, in einem Fall auf dem Vorwurf des Menschenhandels und in 19 Fällen auf Vorwürfen aus Antiterrorgesetzen.

Bislang hat die Bundesregierung seit Beginn ihrer zahlenmäßigen Erfassung im Jahr 2022 von 101 Einreiseverweigerungen gegen deutsche Staatsangehörige Kenntnis erhalten; davon entfallen 16 auf das laufende Jahr 2024.

Die Bundesregierung erfährt von den Ein- und Ausreisesperren sowie Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger zugrundeliegenden Strafvorwürfen in erster Linie durch die Angaben der Betroffenen oder ihrer Familienangehörigen. Sie kann insbesondere die Tatvorwürfe nicht zweifelsfrei überprüfen.

 

Mein Kommentar dazu:

„Die Bundesregierung muss endlich den Menschenrechten Vorrang vor geopolitischen Interessen einräumen und sich konsequenter für die Freilassung der in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger*innen einsetzen. Ein solcher Einsatz würde auch den vielen anderen politisch Inhaftierten in der Türkei zugutekommen.

Es überrascht mich nicht, dass der negative Trend anhält und immer mehr Deutsche in der Türkei festsitzen. Solange die Bundesregierung ihre Türkei-Politik nicht ändert, wird das Erdogan-Regime diese weiterhin schamlos ausnutzen. In der Türkei wird die Strafverfolgung zunehmend instrumentalisiert, um unerwünschte politische Aktivitäten zu unterbinden. Besonders häufig werden dabei Vorwürfe auf Grundlage der Antiterrorgesetze willkürlich erhoben. Dies bestätigt auch das Gutachten von PRO ASYL „Zur Lage der Justiz in der Türkei“ vom September 2024 in aller Deutlichkeit (vgl.: https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Gutachten-Tuerkei-Langfassung_final.pdf).

Angesichts dessen ist es höchst unverantwortlich, dass Deutschland im Rahmen des neuen Abkommens verstärkt Abschiebungen in die Türkei durchführt. Besonders Kurd*innen, die eine immer niedrigere Anerkennungsquote als Schutzsuchende haben, sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, dort willkürlich inhaftiert zu werden.“

 

Berichte dazu:

u.a. Tagesspiegel vom 07.10.2024



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