Kleine Anfrage: Sicherheitsgefährdung durch Mitglieder des IS in Nord- und Ostsyrien
Angriffe des türkischen Militärs zerstören die zivile Infrastruktur und stellen die von Kurden dominierte autonome Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien vor große Herausforderungen. Die Angriffe des türkischen Militärs gefährden die Sicherheit der Hafteinrichtungen und begünstigen Ausbrüche von IS-Kämpfern aus den Haftanstalten, wozu es bereits gekommen ist. In den Haftanstalten befinden sich zehntausende IS-Mitglieder und ihre Familienangehörigen u. a. auch aus Deutschland. Dazu haben wir eine Kleine Anfrage eingereicht: „Sicherheitsgefährdung durch Mitglieder des IS in Nord- und Ostsyrien“ (PDF-Datei öffnet sich in einem neuen Fenster/Tab)
Antwort der Bundesregierung: https://dserver.bundestag.de/btd/20/113/2011365.pdf
Berichterstattung dazu: ANF Deutsch | ANF Türkçe | ANF Kurdî (die Links öffnen sich in einem neuen Fenster/Tab)
Mein ausführlicher Kommentar zur Antwort der Bundesregierung:
„Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung sich in dieser auch für Deutschland sicherheitsrelevanten Frage darum drückt, nachvollziehbare Angaben zu inhaftierten deutschen IS-Anhängern und ihren Angehörigen in Nord- und Ostsyrien zu machen. Meiner Frage nach deren Zahl weicht sie dadurch aus, dass sie die Lager, in denen zahlreiche IS-Anhänger und ihre Familien festgehalten werden, nicht zu den Haftanstalten zählt. Indem sie Teile der Antwort als Verschlusssache mit Geheimhaltungsgrad einstuft, verletzt die Bundesregierung ihre Verpflichtung, die Sicherheitslage auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbar darzustellen.
Dass ausgerechnet die Türkei in einer internationalen Arbeitsgruppe mitwirkt, die eine Lösung für die in Nord- und Ostsyrien inhaftierten oder internierten IS-Kämpfer finden soll, ist mehr als nur skurril. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht, denn die türkische Regierung, die islamistische Gruppierungen fördert und ihnen Rückzugsräume bietet, ist mitverantwortlich für die aktuelle Sicherheitslage in Nord- und Ostsyrien.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung auf, die mit Vertretern der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien geführten Gespräche nicht eingeht. Offenbar will sie den NATO-Partner Türkei nicht verärgern. Ihr Hinweis, dass die deutsche Botschaft in Damaskus seit 2012 geschlossen sei und sie deshalb keine konsularischen Aufgaben erfüllen könne, steht im Widerspruch zur Rückholung der insgesamt 27 deutschen Frauen, 80 Kinder und einem Heranwachsenden aus Lagern in Nordost-Syrien.
Nunmehr stocken die Rückholungen aber, und es sind wesentlich mehr Personen mit Deutschlandbezug selbständig nach Deutschland zurückgekehrt als durch Rückholungen. Die große Anzahl an IS-Kämpfern und IS-Anhängern aus dutzenden Staaten, die sich aktuell dort in Gewahrsam befinden, stellen ein großes Sicherheitsrisiko für die Region dar. Durch ihre Untätigkeit erhöht die Bundesregierung die Gefahr einer Radikalisierung in den Lagern und eines Widererstarken der islamistischen Gruppierung.
Ich vermisse ein ehrliches Interesse der Bundesregierung, dass die Gräueltaten des IS strafrechtlich verfolgt und juristisch aufgearbeitet werden. Sie hat keinen politischen Willen gezeigt, dass ein internationales Tribunal eingesetzt wird, noch hat sie sich ernsthaft darum bemüht, dass deutsche IS-Kämpfer in größer Zahl zurückgeholt und hier in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Das ist absolut inakzeptabel, denn Deutschland hat eine Verantwortlichkeit für die deutschen IS-Kämpfer.
Deshalb darf die Selbstverwaltung Nordost-Syriens nicht im Stich gelassen werden. Sie braucht internationale Unterstützung und politische Anerkennung. Denn die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien, in der alle dort lebenden Ethnien und Religionsgruppen ihren Platz haben, ist einmalig im Nahen Osten und hat Vorbildcharakter für ein friedliches Zusammenleben und die Gleichberechtigung von Frauen.
Die humanitäre Hilfe in Höhe von 27 Millionen Euro ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man noch berücksichtigt, dass die Region durch permanente Angriffe des deutschen Nato-Partners Türkei destabilisiert wird.“
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