Kritische Begleitung der Reform des Abstammungsrechts

Ich begleite die Reform des Abstammungsrechts kritisch und befrage die Bundesregierung zur Höhergewichtung der biologischen Vaterschaft:

 

Schriftliche Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut

(Monat Mai 2024, Arbeits-Nr. 24-05-0500)

Wie begründet die Bundesregierung in Ihrem Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts (vgl.: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Nav_Themen/240115_Eckpunkte_Abstammungsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2 )die Höhergewichtung der biologischen Vaterschaft, sodass die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater auch dann nicht mehr zwingend ausgeschlossen sein soll, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht, obgleich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09. April 2024 auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass der Gesetzgeber — abweichend vom bisherigen Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) — die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen kann (vgl.: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/bvg24-035.html)?

 

 

Antwort der Bundesregierung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil vom 9. April 2024 verfassungsrechtlich zwar eine Möglichkeit gesehen, einem Kind mehr als zwei Elternteile statusrechtlich zuzuordnen. Es hat aber auch ausgeführt, dass es im Ausgangspunkt verfassungsrechtlich zulässig ist, eine Vaterschaft von mehr als einem Vater auszuschließen, solange das Fachrecht dem leiblichen Vater ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stellt, um die rechtliche Vaterschaft zu erlangen (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 9. April 2024 – 1 BvR 2017/21 -, Randnummer 47). Eine Mehrelternschaft muss daher nicht eingeführt werden. Das Zwei-Eltern-Prinzip war und ist der Ausgangspunkt für die Reform des Abstammungsrechts.

Das BVerfG hat die derzeitige Ausgestaltung des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters für unvereinbar mit dem Elterngrundrecht des leiblichen Vaters erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, spätestens bis zum 30. Juni 2025 eine Neuregelung zu schaffen. Die derzeitige Ausgestaltung des Anfechtungsrechts beeinträchtigt den leiblichen Vater unangemessen in seinem Elterngrundrecht, weil sie ihm nicht hinreichend effektiv die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft ermöglicht (vergleiche BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 9. April 2024 – 1 BvR 2017/21 -, Randnummer 79); unter anderem weil sie es von vorneherein ausschließt, das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung des leiblichen Vaters zu seinem Kind sowie seine durch frühzeitiges und konstantes Bemühen um die rechtliche Vaterschaft belegte Bereitschaft zur Übernahme von Elternverantwortung im Rahmen des Anfechtung überhaupt zu berücksichtigen (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 9. April 2024 – 1 BvR 2017/21 -, Randnummer 91).

Den aus dem Urteil folgenden Anforderungen trägt die im Eckpunktepapier für eine Reform des Abstammungsrechts vom 16. Januar 2024 vorgeschlagene Interessenabwägung vollumfänglich Rechnung.

Während der (mutmaßlich) leibliche Vater bislang ausnahmslos von der Anfechtung ausgeschlossen war, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater besteht, soll es die künftig vorzunehmende Kindeswohlprüfung beziehungsweise im Falle eines volljährigen Kindes die vorzunehmende Interessenabwägung den Gerichten ermöglichen, sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, um so zu einer sachgerechten Lösung im Einzelfall zu gelangen, die den grundrechtlich geschützten Interessen aller Beteiligten angemessen Rechnung trägt.



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