Rückblick: Armutskonferenz in Karlsruhe
Gut besuchte Konferenz, spannende Debatten und interessante Ansätze Armut zu bekämpfen. Unter dem Motto „Armut bekämpfen – Soziale Spaltung überwinden“ kamen wir am 2. Dezember in Karlsruhe zusammen.
Medienberichte dazu:
Mannheimer Morgen, 8.12.2023: „Arme zahlen die Zeche“
Zeitschrift „Politische Berichte“: „Armut bekämpfen – soziale Spaltung überwinden“
Bericht:
Die politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte haben zu mehr sozialer Ungleichheit und zu mehr Armut in Deutschland geführt. Waren Ende der 90er Jahre 11% der Menschen in Deutschland arm sind es 2021 16,9 Prozent. In Zahlen sind das 14,1 Millionen arme Menschen – das sind 600.000 mehr als 2020 und 900.000 mehr als vor der Pandemie.
Dieser strukturelle Trend wird verstärkt durch die verschiedenen Krisen, deren Kosten von der Politik immer wieder nach „unten“ abgewälzt werden. Dies ist auch in der aktuellen Debatte, um den Bundeshaushalt zu beobachten. Schon bevor das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ein 60 Milliardenloch in den Haushaltsplan gerissen hat, waren die Pläne der Ampel von inakzeptablen Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich durchzogen.
Für DIE LINKE als Partei der sozialen Gerechtigkeit war es deshalb wichtig, eine Konferenz zu Armut und Armutsbekämpfung auszurichten. Unter dem Motto „Armut bekämpfen – Soziale Spaltung überwinden“ lud der Landesverband der Linken Baden-Württemberg am 2. Dezember nach Karlsruhe ins Gewerkschaftshaus, um über Armut und Wege zu einer gerechteren Gesellschaft zu diskutieren.
Die Konferenz wurde durch Sahra Mirow, Landessprecherin DIE LINKE. Baden-Württemberg eröffnet und moderiert. Mirow zog Bilanz und kritisierte die Sparpolitik der Ampel:
„Die Ampel setzt zum sozialen Kahlschlag an und verschärft damit die soziale Spaltung. Entgegen ihrer Wahlversprechen holt die Ampel zum Rundumschlag auf die soziale Infrastruktur aus: ob bei Gesundheit und Pflege, Demokratieförderung oder Bildung – überall soll in Zukunft gespart werden.
Nur für die Aufrüstung der Bundeswehr und die Profite der Rüstungskonzerne gibt es mehr Geld und einig ist man sich auch bei den Angriffen auf das Asylrecht. „Die Ampel bereitet dem Rechtsruck in der Gesellschaft damit materiell und politisch den Boden.“
Danach sprach Christina Zacharias als Vertreterin des gastgebenden Kreisverbandes ein Grußwort:
„Reicher Mann und armer Mann standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär‘ ich nicht arm, wärst du nicht reich“. Zacharias verwies mit dem bekannten Brecht-Gedicht auf den strukturellen Zusammenhang von Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft und steckte so den Rahmen für die weitere Diskussion ab.
Danach wurde Ullrich Schneider, Bundesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, zugeschaltet. Schneider gab einen Überblick über die Situation der letzten Jahre:
„Mit den seit Herbst 2021 steigenden Lebenshaltungskosten ist es zur schnellen Ausbreitung der Armut in Deutschland gekommen. Insbesondere Menschen, die von Grundsicherung leben müssen – und das sind aktuell rund 7 Millionen – wissen weder Ein- noch Aus, wie Beratungsstellen oder Tafeln berichten. Und nicht nur sie. Hinzu kommen jene 7,5 Millionen, die unter der Armutsschwelle liegen, aber so knapp über Grundsicherungsniveau, dass sie keinen Anspruch auf diese Leistung haben und ebenfalls nicht wissen, wie sie finanziell das Ende des Monats erreichen sollen. Zwei Millionen Menschen, die ihre Lebensmittel regelmäßig über Tafel-Spenden besorgen, sprechen für sich.“
Danach ging Schneider besonders auf die verschiedenen Entlastungspakete und ihre sozialen Schieflagen ein:
„Die Bundesregierung hätte gut daran getan, in der Architektur ihrer Entlastungspakete zu berücksichtigen, dass Deutschland mit einer Armutsquote von fast 17 Prozent ein sozial tief gespaltenes Land ist. Es ist das hohe Maß an Einkommens- und Ressourcenungleichheit, das Deutschland so anfällig macht für krisenhafte Entwicklungen, wie in der Pandemie oder der exorbitante und anhaltende Inflation.“
Dennoch so Schneider: „Teure Unterstützung wurde auch dort geleistet, wo sie nicht gebraucht wurde, und dort nur sehr unzulänglich, wo sie dringend erforderlich wäre. Von den rund 29 Milliarden, die die ersten beiden Entlastungspaket kosteten, floss etwa die Hälfte in Maßnahmen, bei denen der Entlastungseffekt dem Einkommen folgt. Wirklich zielgerichtet, ausschließlich an einkommensschwache Haushalte, flossen lediglich 2 der 29 Milliarden.“
Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der LINKE aus Mannheim und migrationspolitische Sprecherin gab einen Überblick über verschiedene von Armut betroffenen Gruppen und fasste die Situation in Deutschland wie folgt zusammen:
„Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Und während die Reichsten immer reicher werden, zahlen die Armen die Zeche für die Krisen unserer Zeit: Covid-19 Pandemie, Krieg in Europa, Klimakrise, hohe Inflation, Rezession – statt die Vermögenssteuer wieder einzuführen, eine dauerhafte und wirksame Übergewinnsteuer zu schaffen, extrem hohe Einkommen und Erbschaften stärker zu besteuern, Finanzkriminalität umfassend zu ahnden oder klimaschädliche Subventionen abzuschaffen, reicht die Regierung die Rechnung an diejenigen weiter, bei denen nichts mehr zu holen ist. Umso wichtiger ist unser Widerstand gegen all diese Missstände. Gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und antirassistischen Bündnissen werden wir gegen die Spaltung unserer Gesellschaft kämpfen.“
Sofia Leonidakis Fraktionsvorsitzende der LINKEN in der Bremischen Bürgerschaft und Sprecherin für Soziales, Kinder und Flucht gab einen Überblick zur Situation in Bremen und stellte kommunale Möglichkeiten vor, um die ungerechte Politik auf Bundesebene abzufedern und zu mildern.
„Es macht einen Unterschied, wer regiert. Mit dem richtigen politischen Willen können wir in den Städten und Kommunen einiges tun, um die ungerechte Politik auf Bundesebene abzufedern und zu mildern. Wir können Weichen für mehr Bildungsgerechtigkeit stellen, den kommunalen Wohnungsbau vorantreiben, die Kitabetreuung verbessern, Regelungen zur Tariftreue erlassen und landesweite Mindestlöhne vorschreiben. Letztlich hängen diese Maßnahmen jedoch an der Finanzierung und sind damit Verteilungskämpfe, die auch auf Bundesebene geführt werden.“
Nach den Eröffnungsbeiträgen vertieften die rund 80 Anwesenden – die sich neben Mitgliedern und Mandatsträgern der Linken auch aus Gewerkschafter und Vertretern von Sozialverbänden zusammensetzte – die Diskussion in drei Workshops.
I. Sozial gerecht vor Ort und im Land? Was müssen wir kommunal und auf Landesebene gegen die zunehmende soziale Spaltung tun
II. Zusammen mit den Gewerkschaften im Kampf gegen Armut: Was braucht es für eine sozial gerechte und nachhaltige Transformation der Wirtschaft?
III. Alleinerziehend und armutsgefährdet? Welche Maßnahmen sind nötig, um verfestigte Armut und insbesondere Kinderarmut zu bekämpfen? Welche Investitionen braucht es um Bildungsgerechtigkeit herzustellen?
Die Ergebnisse der Workshop-Phase wurden auf einem Abschluss-Podium zusammengefasst und festgehalten. Zum Abschluss erklärte die Konferenz ausdrücklich ihre Unterstützung für verschiedene Protestinitiativen der Sozialverbände und begrüßt die gemeinsame Erklärung von AWO, DGB, Paritätischem Paritätischen Wohlfahrtsverbands, BUND, Deutscher Kulturrat e. V., Deutscher Mieterbund e. V. und anderen Verbänden und Institutionen. Darin heißt es:
„Der vom Kabinett beschlossene Haushalt für das kommende Jahr geht mit drastischen sozialen Kürzungen – von Hilfen für Arbeitslose über die Kinder- und Jugendhilfe bis zur Unterstützung Geflüchteter – mit Streichungen beim Umweltschutz sowie der Verweigerung erforderlicher Zukunftsinvestitionen einher. Mit diesem Kurs gefährdet die Bundesregierung den Erfolg der sozial-ökologischen Transformation.“ Quelle: https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Fachinfos/doc/Brief_Kurskorrektur_bei_Sparpolitik_web.pdf
Fotos von der Konferenz:
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