Hat die Bundesregierung Handlungsbedarf zur „Eltern-Kind-Entfremdung“?
Schriftliche Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut
(Monat Juli 2023, Arbeits-Nr. 23-07-0055)
Welchen Handlungsbedarf im Sinne von Art. 31 der Istanbul-Konvention, wonach die Ausübung von Sorge- oder Umgangsrechten nicht zu einer Gefährdung von gewaltbetroffenen Frauen oder ihrer Kinder führen darf, sieht die Bundesregierung aufgrund der von der UN-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, geäußerten Kritik, wonach die zur Vermeidung einer vermeintlichen „Eltern-Kind-Entfremdung“ ausgerichtete Praxis der Familiengerichte zu einer Gefährdung gewaltbetroffener Mütter und Kinder führt und diese Praxis als Menschenrechtsverletzung zu werten ist (vgl.: https://www.vamv.de/presse/pressemitteilungen/presse-detail?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=910&cHash=12e6431053741f4e2662f71ac47263e0), und falls Sie keinen Handlungsbedarf sieht, warum nicht?
Antwort der Bundesregierung
Mit Blick auf Gewalt in Familien haben die die Bundesregierung tragenden Parteien im Koalitionsvertrag folgendes Vorhaben vereinbart: „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“
Das Bundesministerium der Justiz prüft derzeit in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dessen konkrete Umsetzung.
Zu beachten ist, dass in Umgangsverfahren bereits nach geltender Rechtslage Gewalt als ein für das Kindeswohl maßgeblicher Umstand nach § 1684 Absatz 4 Satz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) stets Berücksichtigung finden muss.
Hinter dem wissenschaftlich nicht unumstrittenen Begriff der Eltern-Kind-Entfremdung steht das Phänomen, dass das Kind einen Elternteil ablehnt. Auch in solchen Fällen ist es stets eine Frage des Einzelfalls, ob und in welchem Umfang Umgang beschränkt oder ausgeschlossen werden muss (vergleiche § 1684 Absatz 4 Satz 1 und 2 BGB).
Auch bei den sorgerechtlichen Vorschriften muss häusliche Gewalt zwischen den Elternteilen beachtet werden (§§ 1626a Absatz 2 Satz 1, 1671 Absatz 1 und 2 BGB), da sich diese erheblich auf das Kindeswohl auswirken kann, wobei bei einer Gefährdung des Kindeswohls als ultima ratio auch eine Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB in Betracht zu ziehen ist.
Es ist geplant, durch die Umsetzung des Koalitionsvorhabens die Familienrichterinnen und Familienrichter für Anhaltspunkte von Gewalt, deren Ermittlung und Einordnung weiter zu sensibilisieren.
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