Deutschpflicht bleibt


BERLIN taz | Auch nach dem Fall Afghanistans an die Taliban will die Bundesregierung darauf bestehen, dass An­trag­stel­le­r*in­nen für den Familiennachzug in ihrer Heimat Deutsch lernen. Das geht aus einer der taz vorliegenden Antwort des Auswärtigen Amtes (AA) auf eine schriftliche Frage der Linken-Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut hervor. Allerdings soll das bisherige strenge Visa-Regime zumindest etwas gelockert werden.

Lernen kann jede oder jeder auf seine beziehungsweise ihre Weise, an einer Sprachschule, in Onlinekursen, mit Part­ne­r*in oder im Selbststudium. Bisher aber war es zwingend, dass das Sprachzertifikat an einem Goethe-Institut abgelegt werden muss, etwa in Indien, Pakistan oder Usbekistan – das Goethe-Institut in Afghanistan ist seit 2017 geschlossen.

Deutschkenntnisse anders glaubhaft machen

In ihrer Antwort an Akbulut schreibt AA-Staatssekretärin Antje Leendertse jetzt, die Bundesregierung gehe „vorbehaltlich einer grundsätzlich erforderlichen Bewertung jedes Einzelfalls“ davon aus, dass für Menschen mit Wohnsitz oder dauerhaftem Aufenthaltsort in Afghanistan eine sogenannte A-1-Prüfung – gemeint ist damit ein Nachweis über einfache Sprachkenntnisse – „derzeit grundsätzlich weder möglich noch zumutbar ist“. Weiter heißt es: „Hinreichende Sprachkenntnisse können im Rahmen des Visaverfahrens daher alternativ glaubhaft gemacht werden.“ Wie genau das umgesetzt werden soll, geht aus der Regierungsantwort nicht hervor – eine Anfrage der taz dazu an das Auswärtige Amt blieb zunächst unbeantwortet.

Ende August war aus dem AA auf Anfrage betont worden, „dass für die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug grundsätzlich auch der Nachweis von einfachen Deutschkenntnissen erforderlich ist“. Damals bestand die Behörde noch darauf, dass dieser „in der Regel“ durch Vorlage eines „Zertifikats eines anerkannten Sprachinstituts“ wie des Goethe-Instituts erfolgen müsse. Ermessensregelungen etwa im Aufenthaltsgesetz oder im Visumhandbuch des Auswärtigen Amts wurden in den deutschen Visa-Stellen nach Darstellung der Bundestagsabgeordneten Akbulut in aller Regel nur sehr restriktiv oder gar nicht genutzt.

Die Linken-Politikerin begrüßte es als „wichtige, wenn auch überfällige Klarstellung“, dass auf die Sprachzertifikate des Goethe-Instituts nun künftig verzichtet werden soll. Dass Deutsch aber nicht erst nach Ankunft in Deutschland gelernt werden kann, hält sie unter den Bedingungen der beginnenden Taliban-Herrschaft für unzumutbar und zynisch, wie sie der taz sagte: „Wie sollen insbesondere Frauen in Afghanistan, die vor Sorgen umkommen und kaum noch das Haus verlassen können, sich jetzt auf das Erlernen der deutschen Sprache konzentrieren? Das ist doch so, als ob man Ertrinkende nach ihren Deutschkenntnissen fragen würde, bevor man ihnen einen Rettungsring zuwirft.“ Akbulut fordert vom AA: „Beim Ehegattennachzug aus Afghanistan ist auf Deutsch-Nachweise zu verzichten. Punkt.“


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