Grundrechte für Alle

Unser Vorschlag für eine Anpassung des Grundgesetzes wird heute am Tag der Menschenechte im Rechtsausschuss diskutiert. Als Linksfraktion fordern wird, dass die sogenannten Deutschengrundrechte zu Menschenrechten umgewandelt werden. Diese Anpassung des Grundgesetzes ist längst überfällig.

Zu unser Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes, der heute um 15.30 Uhr im Rechtsausschuss im Deutschen Bundestag diskutiert wird. Sowie die Stellungnahme unseres Sachverständigen Prof. Dr. Tarik Tabbara LL.M. Professur für Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und europäisches Sicherheitsrecht von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR).

Das Problem:

Das Grundgesetz (GG) macht bei einigen Grundrechten eine Unterscheidung zwischen Menschen mit und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Artikel 8 und 9), sowie das Grundrecht auf Freizügigkeit (Artikel 11) und die Berufsfreiheit (Artikel 12) werden explizit nur Deutschen zugesprochen. Sie sind als sogenannte Deutschen-Grundrechte ausgestaltet, anders als beispielsweise die Meinungsfreiheit, die nach Artikel 5 GG für alle Menschen gilt. Das macht die Formulierung „Jeder hat das Recht, seine Meinung […] zu äußern“ (Artikel 5 GG) statt „Alle Deutschen haben das Recht, sich […] zu versammeln“ (Artikel 8 GG), deutlich.

Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete, die in Deutschland leben, aber die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besitzen, unterfallen nicht diesem speziellen Grundrechtsschutz. Dabei handelt es sich bei diesen wichtigen Grundrechten und Freiheiten um Menschenrechte und Menschenrechte sind unteilbar. In der UN-Menschenrechtscharta sind sie dementsprechend auch allesamt als Menschenrechte ausgestaltet. Ebenso in internationalen Abkommen wie beispielsweise in der Europäischen Menschenrechtskonvention, im UN-Zivilpakt und im UN-Sozialpakt. Auch die Landesverfassungen einiger Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland sind weitergehender als das Grundgesetz und differenzieren nicht zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Es ist nicht gerechtfertigt, dass die deutsche Verfassung diese Grund- und Freiheitsrechte nur deutschen Staatsangehörigen sowie sogenannten Statusdeutschen zuerkennt. Das wird weder dem verfassungsrechtlichen Gebot des Artikel 3 Absatz 1 GG gerecht, nachdem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Noch wird es dem Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Absatz 3 GG gerecht, der unter anderem bestimmt, dass niemand wegen seiner Abstammung, Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Auch der Menschenwürdegarantie aus Artikel 1 Absatz 1 GG entspricht vielmehr die Geltung aller Grundrechte des Grundgesetzes gleichermaßen für alle Menschen.

Es ist nicht ausreichend, dass Gerichte durch Auslegung einen in der Intensität geringeren Schutz von Versammlungen und Vereinigungen sowie die Berufsfreiheit und die Freizügigkeit von Nichtdeutschen über den Umweg der in Artikel 2 des Grundgesetzes geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit teilweise wieder. Ebenso wenig reichen einfachgesetzliche Bestimmungen wie das Versammlungsgesetz oder das Vereinsgesetz aus. Sie liegen in der Normenhierarchie unterhalb der Verfassung und können nicht den gleichen Schutz garantieren. Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete müssen vor Eingriffen des Staates in ihre Menschenrechte von der Verfassung aber gleich geschützt werden wie deutsche Staatsangehörige.

Die Verfassung als höchstes Rechtsinstitut, das die Grundwerte und Freiheiten der Gesellschaft regelt, hat auch einen hohen symbolischen Wert. Die Deutschen-Grundrechte sind daher in sogenannte Jedermann-Grundrechte umzuwandeln. Statt allen Deutschen sollen diese wie die anderen im Grundgesetz verbrieften Grundrechte allen Menschen zustehen. So werden alle Bürgerinnen und Bürger Deutschlands gleichermaßen geschützt. Das stärkt auch die Demokratie. Diese Grundgesetzänderung stellt ein deutliches Bekenntnis Deutschlands gegen Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten dar. Sie ist gerade in dieser Zeit des enormen Rechtsrucks in Deutschland und Europa, des sich verstärkt verbreitenden Rassismus, der inzwischen auch häufiger im Plenum des Bundestags zum Ausdruck kommt, und der steigenden Anzahl der Übergriffe auf Geflüchtete besonders wichtig. Die Bundesrepublik Deutschland setzt damit ein wichtiges Zeichen gegen rassistische Hetze und für eine offene und vielfältige Gesellschaft, in der alle Menschen gleiche Rechte haben. Die damit einhergehende Aufwertung der Rechtsposition von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten ist auch in Anbetracht der Einwanderungsgeschichte Deutschlands und seiner historischen Verantwortung dringend notwendig.


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Prof. Dr. Tarik Tabbara (Professor für Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und europäisches Sicherheitsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin/HWR) ist als Sachverständiger für die Linksfraktion eingeladen die Änderung des Grundgesetzes in „Grundrechte für alle“ zu diskutieren.


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