Begriff „Rasse“ im Grundgesetz ersetzen


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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren heute über zwei wichtige Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes. In unserem Gesetzentwurf geht es darum, den Begriff „Rasse“ nicht nur zu streichen, sondern zu ersetzen.

Der Begriff „Rasse“ sollte ersetzt werden durch ein Verbot von rassistischer Diskriminierung, sodass keine Schutzlücke entsteht; denn es gibt Rassismus, aber keine Rassen. Zu Zeiten des Nationalsozialismus war der Diskurs um den Begriff „Rasse“ ganz anders als heute. Dieses Weltbild haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht einfach abgelegt. So spiegelt es sich auch heute in unserer Verfassung wider. Hermann von Mangoldt, einer der Väter des Grundgesetzes, war Vorsitzender des Ausschusses für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates. Er selbst vertrat jedoch ein rassistisches Weltbild. So veröffentlichte der Antisemit und Nationalsozialist Mangoldt 1939 die rechtsvergleichende Schrift „Rassenrecht und Judentum“, in welcher er unter Bezug auf Hitlers „Mein Kampf“ die rechtlichen Grundlagen der Nürnberger Gesetze mit den Verfassungen der angelsächsischen Länder verglich. Die Diskussion um die Grundsatzfragen im Parlamentarischen Rat, an der sich Mangoldt, aber auch die anderen Berichterstatterinnen und Berichterstatter beteiligten, basierte oftmals auf rassistischen Ideologien. Ja, auch einige Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben selbst ein rassistisches Weltbild gehabt. In den Protokollen des Parlamentarischen Rates zeigt sich, dass die Berichterstatter selber beispielsweise das N-Wort verwendeten. Aber auch der vorhandene Antiziganismus wird erschreckend deutlich, wenn wörtlich von „asozialen Personen“ gesprochen wird und Sinti und Roma als „Plage“ bezeichnet werden. Ja, das kann man alles nachlesen. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland stellt bereits seit vielen Jahren die Forderung auf, einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung zu verankern. Dabei darf man sich nicht auf einen Begriff berufen, den rassistische Ideologien selbst hervorgebracht haben; denn das Grundgesetz sollte eigentlich einen Gegenentwurf zum nationalsozialistischen Regime darstellen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem WunsiedelBeschluss 2009 ausdrücklich entschieden. Umso wichtiger ist es, dass dieses Urteil Verfassungswirklichkeit wird.

Einige Mitgliedstaaten der EU haben bereits im Zuge der Umsetzung der Antirassismusrichtlinie den Begriff „Rasse“ aus ihren nationalen Gesetzen verbannt. Wir als Linksfraktion haben bereits 2010 gefordert, den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz zu ersetzen. Einige Bundesländer haben ebenfalls ihre Landesverfassungen reformiert oder sind gerade noch dabei. Dem Wortlaut „rassistisch“, den wir als Linksfraktion einfügen wollen, wohnt bereits eine Verurteilung von Rassismus inne. Dieses Bekenntnis sind wir in erster Linie den Opfern von Rassismus, aber auch unserer gesamten Gesellschaft schuldig. Struktureller und institutioneller Rassismus sind nach wie vor ein großes Problem in Deutschland, nicht erst seit dem rassistischen Mord an George Floyd. Aber die Reaktion auf seine Tötung hat das gesellschaftliche Problem aufgezeigt, indem sich Hunderttausende den Protesten der Black-Lives-MatterDemos angeschlossen haben. Für uns ist es wichtig, dass sich das Recht klar schützend vor die Menschen stellt, die rassistische Diskriminierung tagtäglich erfahren. Erst vor knapp drei Wochen hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung den Rassenbegriff in Anführungszeichen gesetzt. Das Bundesverfassungsgericht distanziert sich also selber von dem Begriff. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Auslegung des Begriffs immer über die Notlösung einer Distanzierung von dem Begriff erfolgen muss, um den Diskriminierungsschutz herzuleiten. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Entscheidung des obersten deutschen Gerichts haben wird. Insgesamt besteht in der juristischen Literatur zwar Konsens darüber, dass es Rassismus gibt, aber kein Konsens darüber, dass es keine Rassen gibt. Das wird deutlich, wenn man beispielsweise einen Blick in die juristischen Kommentare wirft. Diese werden für die Auslegung und Deutung des Begriffs herangezogen.

Nicht einmal dort wird von vielen Fachleuten verstanden, dass es keine Menschenrassen gibt. Teilweise finden sich sogar Rechtfertigungen des Rassenbegriffs in juristischen Werken wieder. Solche Kommentare würden infolge der Grundrechtsänderung entfallen, und alle Juristinnen und Juristen müssten sich mit dem Verbot rassistischer Diskriminierung auseinandersetzen. Das ist auch notwendig.

Dass der Diskriminierungsschutz, den wir jetzt haben, nicht ausreicht, ist klar. Zahlreiche Organisationen und auch die Antidiskriminierungsstelle verzeichnen einen drastischen Anstieg rassistischer Diskriminierung. In Gesprächen mit Wissenschaftlern, Engagierten und Betroffenen wurde die Ersetzung des Begriffs „Rasse“ im Grundgesetz teilweise als ein Vortäuschen von Diskriminierungsschutz gewertet. Damit diese Verfassungsänderung nicht nur zu einer Alibihandlung verkommt, fordern wir als Linksfraktion, eine zusätzliche Schutz- und Förderklausel im Grundgesetz zu verankern. Mit der Einfügung der Schutzklausel wird ein Gebot zum Schutz vor allen in Artikel 3 Absatz 3 GG genannten Diskriminierungsformen aufgestellt. Die Grundgesetzänderung wird nur einer von vielen nötigen Schritten sein, bis wir insgesamt mehr Diskriminierungsschutz erreichen. Dennoch ist das ein wichtiger Schritt. Unsere Verfassung soll alle Menschen in diesem Land wirksam vor Ungleichbehandlung schützen, ohne selbst einen diskriminierenden Charakter zu haben.

Zum Maßnahmenkatalog des Kabinettsausschusses kann ich nur sagen, dass wir viele Maßnahmen unterstützen. Für uns ist jedoch wichtig, dass die Maßnahmen dauerhaft finanziert werden, und vor allem, dass die Evaluation gemeinsam mit der Zivilgesellschaft gestaltet wird.

Vielen Dank.

 


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