Gerechtigkeit für mosambikanische Vertragsarbeiter


Antrag

der Abgeordneten Gökay Akbulut, Brigitte Freihold, Dr. André Hahn, Matthias W. Birkwald, Susanne Ferschl, Sylvia Gabelmann, Matthias Höhn, Ulla Jelpke, Dr. Achim Kessler, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Pascal Meiser, Cornelia Möhring, Niema Movassat, Petra Pau, Martina Renner, Kersten Steinke, Friedrich Straetmanns, Jessica Tatti, Harald Weinberg, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

Neubewertung und Anerkennung der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für ehemalige mosambikanische Beschäftigte in der DDR

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der 30. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung gab Anlass dazu, Bilanz zu ziehen. Doch nach wie vor bleiben ehemalige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter und deren Perspektiven im Diskurs weitgehend unbeachtet. Für Arbeitsmigrantinnen und -migranten ging der Mauerfall in den allermeisten Fällen mit dem Verlust der Beschäftigung, der Entlassung in die rechtliche und soziale Prekarität, in vielen Fällen auch der Ausweisung sowie der Erfahrung rassistischer Anfeindungen und Gewalt einher. Die vereinigte Bundesrepublik Deutschland hat es im Zuge der Wiedervereinigung versäumt, für die Situation der Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter angemessen Verantwortung zu übernehmen.

Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Arbeitskräftemangels wurde Anfang der 1960er Jahre in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) – ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland – mit der Anwerbung von Beschäftigten aus dem Ausland begonnen.

Die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter der DDR – über 21.000 Mosambikanerinnen und Mosambikaner wurden zwischen 1979 und 1990 für mehrere Jahre als Arbeitskräfte in die Betriebe der DDR entsandt – kämpfen bis heute um einbehaltene Lohnanteile sowie ausstehende Sozialversicherungsleistungen (vgl. Döring, H.-J./Rüchel, U. Freundschaftsbande und Beziehungskisten. Die Afrikapolitik der DDR und der BRD gegenüber Mosambik. Frankfurt a.M.: Brandes & Apsel, 2005). Die zuständigen Betriebe behielten Lohnanteile der Vertragsarbeiterinnen und – arbeiter für den so genannten ‚Lohntransfer‘ ein und überwiesen diese an das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne, das wiederum für den Transfer in die jeweiligen Herkunftsstaaten zuständig war.

Der Fall der mosambikanischen Beschäftigten stellt im Vergleich zur Situation der Beschäftigten anderer Länder einen Sonderfall dar. Von den mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern wurde proportional besonders viel Lohn einbehalten: bis 1985 waren es pauschal 25 Prozent des monatlichen Nettolohns, ab 1986 sogar 60 Prozent des 350 Mark überschreitenden Nettolohns. Bis heute haben die mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter diese einbehaltenen Lohnanteile nicht zurückerhalten, teils, weil die mosambikanische Regierung sie ihnen nicht auszahlte, und teils, weil sie anteilig zur Tilgung der Schulden, die die mosambikanische Regierung gegenüber der DDR hatte, zweckentfremdet wurden.

Die Arbeitskräfteabkommen kamen mit dem Fall der Mauer zu einem abrupten Stillstand. In Folge von plötzlichen Entlassungen und überstürzten, freiwilligen und unfreiwilligen Ausreisen wurden viele Familien auseinandergerissen, weil der mosambikanische Elternteil zur Ausreise gezwungen wurde (vgl. https://www.deutschlandfunk.de/ddr-gastarbeiter-aus-mosambik-bis-heute-haben-wir-kein-geld.799.de.html?dram:article_id=463014).

Im Zuge der Wiedervereinigung explodierte die Anzahl an rechten Straftaten und rassistischer Gewalt an Migrantinnen und Migranten und Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern und spitzte sich in den Pogromen in Hoyerswerda (1991), in Rostock-Lichtenhagen (1992), in Solingen (1993) sowie in vielen weiteren rechtsextremem Gewaltexzessen zu. Viele Fälle, in denen Rassisten und Neonazis gewalttätige Übergriffe bis hin zu Mord an Migrantinnen und Migranten verübten, wurden bis heute nicht ausreichend aufgeklärt.

Bis zur Wende ermöglichten die Arbeitskräfteabkommen mit der DDR für einige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter, etwa jene aus Kambodscha, dem Bürgerkrieg zu entfliehen, und die Chance auf ein besseres Leben (vgl. https://www.lvz.de/Nachrichten/Kultur/Kambodschaner-in-der-DDR-Erinnerungen-ans-Paradies). Während einige die DDR bis heute als „Paradies“ bezeichnen, berichten andere ehemalige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter von bitteren Enttäuschungen durch unerfüllte Bildungsversprechen, schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen und Ausgrenzung (vgl. Mende, C. (Arbeits-)Migration aus der Volksrepublik Mocambique in die DDR (1979-1989/90).

Gegen diese Ungerechtigkeiten protestieren seit Anfang der 1990er Jahre bis heute regelmäßig ehemalige Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter als „Madgermanes“ in Maputo. Im Magdeburger Memorandum aus dem Jahr 2019 forderte ein Zusammenschluss aus ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern und Unterstützerinnen und Unterstützern eine umfassende Beschäftigung mit dem Unrecht, das ihnen zuteilwurde und das bis heute nicht ausreichend aufgearbeitet ist, sowie eine Entschädigung für die ihnen vorenthaltenen Leistungen (vgl. https://www.oekumenezentrum-ekm.de/attachment/97805e02a6bf11de99800bf9f2dbda49da49/0d06803dacd74eb985db586bb 8297025/memorandum-deutsch1.pdf).

Stand das Verhältnis der Beziehung zwischen DDR und Mosambik auch in einem Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Solidarität, kommen Expertinnen und Experten doch zu dem Ergebnis, dass für die SED-Führung „finanz- und arbeitsmarktpolitische Überlegungen“ im Vordergrund der bilateralen Abkommen standen. So waren die angeworbenen Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter einer starken Verwertungslogik unterworfen, die ihnen versprochene Ausbildung rückte in der betrieblichen Praxis schnell in den Hintergrund (vgl. BT-Drs. 19/15531). Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung gibt es eine politische und moralische Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für einen gerechten Umgang mit den ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine unabhängige Studie in Auftrag zu geben, die

a) sich mit der Fragestellung befasst, inwieweit die DDR-Regierung Lohnanteile der mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter einbehalten und zur Schuldentilgung verwendet hat und/oder Kenntnis davon hatte, dass die mosambikanische Regierung an sie transferierte Lohnanteile nicht an die Berechtigten auszahlte, und entsprechend bewertet, welche konkreten Rückerstattungsforderungen sich dadurch für die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter gegenüber der BRD ergeben,

b) beleuchtet, unter welchen Umständen wie viele Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter im Zuge der Wiedervereinigung die DDR verlassen haben oder verlassen mussten und ob und in welchem Umfang es zu rechtswidrigen Abschiebungen oder anderen Ausreisen unter unzumutbarem Zwang gekommen ist,

c) angesichts des Fehlens eines Sozialversicherungssystems in Mosambik zum Zeitpunkt des Arbeitskräfteabkommens die Frage der Sozialversicherungsansprüche der ehemaligen Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter gegenüber der BRD, insbesondere auch im Hinblick auf die Stichtagsregelung 02.10.1990, neu bewertet,

d) die Lebensumstände der Arbeitsmigrantinnen und -migranten in der DDR beleuchtet und die rassistischen Übergriffe gegenüber Migrantinnen und Migranten in der DDR umfassend aufklärt,

e) die Abhängigkeitsverhältnisse von Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern unter dem Gesichtspunkt deutscher Kolonialgeschichte und koloniale Kontinuitäten kritisch aufarbeitet,

2. Verantwortung für das Schicksal der DDR-Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter zu übernehmen und basierend auf den Ergebnissen der in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studie dafür Sorge zu tragen, dass ehemalige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter ihre Lohnansprüche sowie Teile der Sozialversicherungsbeiträge und Rentenansprüche vollständig verwirklichen können, und einen Härtefall- und Entschädigungsfonds zu bilden, damit ehemalige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter zeitnah angemessen entschädigt werden können, sofern ausstehende Lohnansprüche rechtlich oder praktisch nicht durchsetzbar sein sollten,

3. die Familiennachforschung der Familien mit einem mosambikanischen Elternteil zu unterstützen, die aufgrund der unsicheren rechtlichen Aufenthaltssituation sowie betrieblich organisierter Abschiebungen voneinander getrennt wurden

Berlin, den 3.November 2020

Amira Mohamed Ali, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

 

Begründung

Bilaterale Regierungsabkommen „zur zeitweiligen Beschäftigung“ schloss die DDR-Regierung zunächst mit den Mitgliedstaaten des Europäischen Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), Polen (1963/1966/1971), Ungarn (1967) und Bulgarien ab. Ab Mitte der 1970er Jahre schloss die DDR auch mit den außereuropäischen Staaten Algerien (1974), Kuba (1978), Mosambik (1979), Vietnam (1980), Mongolische Volksrepublik (1982) und Angola (1985) bilaterale Arbeitskräfteabkommen ab. Im Jahr 1986 kamen zudem Vereinbarungen über die Anwerbung einer kleineren Anzahl von Beschäftigten aus China, Nord-Korea und Kambodscha hinzu.

Die zuständigen Betriebe behielten Lohnanteile der Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter für den so genannten ‚Lohntransfer‘ ein und überwiesen diese an das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne, das wiederum für den Transfer in die jeweiligen Herkunftsstaaten zuständig war. Eine Praxis, die neben den mosambikanischen Vertragsarbeitern auch für die vietnamesische Werktätige galt, welche 15 Prozent ihres Nettolohns an die vietnamesische Regierung zum Zweck des „Wiederaufbau des Landes“ abtreten mussten. (vgl. https://bruderland.de/episodes/ende-derfreundschaft/). Doch bis heute haben die mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter diese einbehaltenen Lohnanteile nicht zurückerhalten, teils, weil die mosambikanische Regierung sie ihnen nicht auszahlte, und teils, weil sie anteilig zur Tilgung der Schulden, die die mosambikanische Regierung gegenüber der DDR hatte, zweckentfremdet wurden. So wurden Anteile der personengebundenen Transferpflichtbeträge, die die Betriebe monatlich an das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne überwiesen, dem Bereich Kommerzielle Koordinierung zur Schuldenverrechnung zur Verfügung gestellt, anstatt, wie den Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern versprochen, nach Mosambik transferiert zu werden (vgl. Döring, H.-J. Bittere Solidarität, fehlende Anerkennung, offene Rechnungen, in: Gerbergasse 18. -Thüringer Vierteljahreschrift für Zeitgeschichte und Politik 2-2019). Darüber hinaus gibt es sogar Hinweise darauf, dass ab 1986 ein geplanter „Schuldenabbau durch gesteigerte Einreise der mosambikanischen Arbeiter in die DDR“ im gegenseitigen Einvernehmen der Regierungen forciert wurde und die mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter somit bewusst getäuscht und ihre Arbeitskraft ausgebeutet wurde. Wurde gegenüber den entsendeten Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern die beruflich qualifizierende Ausbildung als primärer Zweck ihrer Entsendung hervorgehoben, fand diese häufig – wenn überhaupt – außerhalb der Arbeitszeiten statt (vgl. https://bruderland.de/background/im-gegenseitigen-interesse/). Die aus außereuropäischen Staaten angeworbenen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter wurden überwiegend für einfache, körperlich anstrengende Tätigkeiten im Schichtbetrieb in der Minenarbeit, der Kohleförderung, in Fleischverarbeitungsbetrieben, in Großküchen, der Textilproduktion und landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Dabei hatten die Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter keinen Einfluss darauf, in welchem Betrieb sie eingesetzt würden und erfuhren dies erst nach ihrer Ankunft in der DDR.

Formal waren die Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter den DDR-Beschäftigten arbeits- und sozialrechtlich gleichgestellt. Doch schon die Abkommen mit Polen und Ungarn scheiterten daran, dass immer weniger Arbeiterinnen und Arbeitern unter den schlechten Wohn- und Lebensbedingungen und der geringen Qualifizierung in den DDR-Betrieben arbeiten wollten, sodass Ungarn im Jahr 1980 das Arbeitskräfteabkommen einseitig aufkündigte (vgl. https://bruderland.de/background/im-gegenseitigen-interesse/). Dass in den 1980er Jahren verstärkt Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter aus Vietnam und Mosambik in den Betrieben beschäftigt wurden, lag nicht etwa daran, dass diese sich nicht gegen die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen wehrten, sondern dass ihre diplomatischen Vertretungen hieraus keine Konsequenzen zogen bzw. ziehen konnten, da sie ökonomisch von den Abkommen abhängig waren (vgl. BT-Drs. 19/15531). Immer wieder organisierten sich Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter, um Arbeitskämpfe zu führen und für bessere Arbeitsbedingungen und die versprochene qualifizierende Ausbildung zu streiken. Laut Berichten des Staatssekretariats für Arbeit und Löhne beteiligten sich im Jahr 1975 insgesamt mindestens 6.000 Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter an verschiedenen Streiks. Dabei wurde jede Form der Arbeitsniederlegung vom Ministerium für Staatssicherheit registriert, dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne sowie der jeweiligen Ländervertretung gemeldet und führte in einigen Fällen zur Zwangsausweisung der streikenden Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter (vgl. https://bruderland.de/episodes/werktaetige/). Nicht nur über ihre Arbeit, auch über ihre Freizeit durften Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter nicht selbstbestimmt und frei verfügen. Es war den Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern weder erlaubt (oder möglich) eine eigene Wohnung anzumieten, noch sollten sie Liebesbeziehungen mit einheimischer Wohnbevölkerung eingehen. Eine Vorschrift der Heimordnung eines Betriebswohnheims der VEB Papierfabrik Dreiwerden, in dem ausschließlich mosambikanische Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter untergebracht wurden, lautete beispielsweise: „Bürger anderer Länder erhalten keine Genehmigung zur Übernachtung im Wohnheim“ (vgl. https://bruderland.de/background/im-gegenseitigen-interesse/). Wurden Vertragsarbeiterinnen schwanger, wurden sie standardmäßig vor die Wahl zwischen einem Schwangerschaftsabbruch und der zwangsweisen Rückführung in das Herkunftsland gestellt (vgl. https://bruderland.de/episodes/geschlechterverhaltnis/). Denn eine langfristige Bleibeperspektive über ihre vertraglich festgelegte Beschäftigungsdauer von drei bis fünf Jahren hinaus war für ausländische Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter nicht vorgesehen und wurde seitens der Regierung durch verschiedene Maßnahmen unterbunden (vgl. https://www.deutschlandfunkkultur.de/webdoku-ueber-migranten-in-der-ddr-dauernder-aufenthalt.1013.de.html?dram:article_id=450999). Auch sahen die Arbeitskräfteabkommen, auf deren Inhalt die Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter selbst keinerlei Einfluss hatten, vor, dass den Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter zunächst ein so genanntes ‚Trennungsgeld‘ vom Arbeitslohn abgezogen wird, dass später als Disziplinarmaßnahme bei Nichteinhaltung der vielen Regeln und „erzieherischen Maßnahmen“ einbehalten wurde. (vgl. https://bruderland.de/episodes/nach-feierabend/).

Neben dem Trennungsgeld behielten die zuständigen Betriebe auch Lohnanteile der Vertragsarbeiterinnen und – arbeiter für den so genannten ‚Lohntransfer‘ ein, und überwiesen diese an das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne, das wiederum für den Transfer in die jeweiligen Herkunftsstaaten zuständig war. Das Arbeitskräfteabkommen für vietnamesische Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter sah vor, dass diese 15 Prozent ihres Nettolohns an die vietnamesische Regierung zum Zweck des „Wiederaufbau des Landes“ abtreten mussten (vgl. https://bruderland.de/episodes/ende-der-freundschaft/ Die Anzahl rechter Straftaten und rassistischer Gewalt an Migrantinnen und Migranten spitzte im Rahmen der Wiedervereinigung zu und bleibt an vielen Stellen bis heute unaufgeklärt. So unter anderem der ungeklärte Mordfall des 23-jährigen Vertragsarbeiters Manuel Diogo aus Mosambik, der 1986 in Borne/Bad Belzig brutal zusammengeschlagen und getötet wurde (vgl. https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/vertuschte-die-ddr-einen-rassistischen-mord-potsdamer-staatsanwaltschaft-untersucht-fall-joao-manuel-diogo/25960332.html). Bereits im Jahr 1975 fanden in Erfurt „über Tage hinweg ausländerfeindliche, pogromartige Ausschreitungen“ (Poutrus, P. in: https://www.tagesspiegel.de/berlin/rassistische-gewalt-nach-dem-mauerfall-fuer-migranten-wurde-das-neuedeutschland-zur-gefahr/25186016.html) statt.

Nicht nur ist die Geschichte Mosambiks „eine lange Geschichte der Kolonialisierung und Ausbeutung“ (Eid, U. Grußwort. in: „Freundschaftsbande und Beziehungskisten“, Döring, H.-J./Rüchel, U. (Hrsg.), Frankfurt a.M.: Brandes & Apsel, 2005, S. 11). Auch folgte auf Mosambiks formale Unabhängigkeit im Jahr 1975 ein 16-jähriger Bürgerkrieg, unter dem Einfluss des Ost-West-Konflikts (ebd.). Vor dem Hintergrund der, in Folge von Kolonialismus und Krieg prekären wirtschaftlichen und sozialen Situation Mosambiks machte sich die DDR mit der Anwerbung von mosambikanischen Arbeitskräften deren enorme Abhängigkeit zunutze. Gleichzeitig litt die DDR zum Zeitpunkt Mosambiks Unabhängigkeit unter einem massiven Devisenmangel und drohender Zahlungsunfähigkeit, so dass im Zentrum der Kooperation zwischen den beiden Ländern das wirtschaftliche Interesse der DDR, Außenhandelsüberschüsse zu erwirtschaften, stand (vgl. Döring,H.-J. Es geht um unsere Existenz. Die Politik der DDR gegenüber der Dritten Welt am Beispiel von Mosambik und Äthiopien. Berlin 1999).

Der Vertragsschluss zwischen mosambikanischer Regierung und DDR-Regierung fand somit nicht zwischen „ebenbürtigen Partnern“ statt, sondern sollte vor dem Hintergrund eines globalen Nord-Süd-Machtgefälles und (post- )kolonialer Kontinuitäten gelesen werden. Hielt die DDR-Regierung in den Verträgen fest, dass 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge mosambikanischer Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter an die mosambikanische Regierung überwiesen würden, um den Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern nach Rückkehr in Form von Renten- und Sozialversicherungsansprüchen zur Verfügung zu stehen, so muss dies wissentlich oder unwissentlich entgegen des Umstands, dass Mosambik zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über kein Sozialversicherungssystem verfügte, geschehen sein.


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