Grundrechte für Alle
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir feiern diesen Monat das 70 jährige Bestehen des Grundgesetzes.
Das Grundgesetz ist eine große Errungenschaft in Bezug auf Menschenrechte und den Rechtsstaat, gerade im Hinblick auf die davorliegenden NS Zeit. Das Grundgesetz hat uns die Grundrechte Artikel 1 bis 19 gebracht, die Freiheits- und Gleichheitsrechte gewährleisten, die der Staat schützen und wahren muss.
Es reicht aber nicht sich auf den bestehenden Errungenschaften auszuruhen! Wir müssen das Recht auch fortentwickeln und an die gesellschaftliche Veränderungen anpassen. Schließlich sind es über 10 Millionen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die ihren Lebensmittelpunkt hier in Deutschland und in unserer Gesellschaft haben.
Eine Anpassung ist daher zeitgemäß und auch angebracht!
Die deutschen Grundrechte müssen daher in Menschenrechte umgewandelt werden!
Rechte wie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, die Berufsfreiheit und das Recht auf Freizügigkeit wurden damals nur deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zuerkannt. Beispielsweise steht in Artikel 8 das „alle Deutschen das Recht haben sich zu versammeln“.
Dort wird explizit nur auf deutsche Staatsbürger Bezug genommen, anders als zum Beispiel in der UN Menschenrechtscharta, die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Europäische Grundrechte Charta. Dort werden beispielsweise Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ausdrücklich „allen Menschen“ bzw. „jeder Person“ zuerkannt.
Das muss im Grundgesetz auch angepasst werden!
Die historische Begründung warum dort nur „Deutschen“ steht, ist aus heutiger Sicht nicht mehr tragbar.
Sachfremde Erwägungen haben damals dominiert, dass man anders als noch im ersten Entwurf für das Grundgesetz dem Chiemseer Entwurf, nicht „alle Menschen“ formuliert hat. Das wurde unter anderem im Hinblick auf die Gefahr, die von „bolschewistischen Vereinigungen“ ausgehe, begründet.
Einer der vehementesten Gegner der Formulierung „alle Menschen“ war damals übrigens der CDU-Abgeordnete Herrmann von Mangoldt, der zu NS-Zeit ein Befürworter der Rassengesetze war und sie durch juristische Schriften legitimierte.
In seinem späteren Kommentar zum Grundgesetz wurde noch argumentiert, dass eine Ausdehnung der deutschen Grundrechte auf Nichtdeutsche „die Gefahr der Überfremdung“ bedeuten würde.
Wir denken, dass gerade in dieser Zeit, in der Menschen mit Migrationshintergrund und Schutzsuchende vermehrt Anfeindungen und Angriffen durch die Rechten und Neonazis in Deutschland und ganz Europa ausgesetzt sind, mit der entsprechenden Änderung ein wichtiges Zeichen von Weltoffenheit, Antirassismus und Teilhabe gesetzt werden würde.
Diese gleichen Rechte sollen ausdrücklich in die speziellen Grundrechtsparagrafen aufgenommen werden, um einmal mehr zu zeigen, dass der Deutsche Bundestag an der Seite aller Menschen steht, die hier leben.
Denjenigen, die sagen, dass diese Änderung nicht nötig sei, weil Nichtdeutsche über einfache Gesetze oder über das Auffanggrundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit geschützt sind, möchte ich entgegen halten, dass so aber nicht dasselbe Schutzniveau erreicht wird.
Das hat das Bundesverfassungsgericht selbst in seiner bis heute gültigen Entscheidung von 1978 klar gestellt.
Eigentlich dürfte auch Herr Seehofer nichts haben, schließlich ist die Bayerische Verfassung da vorbildlich, sie spricht bei allen genannten Grundrechten explizit von allen Bewohnerinnen und Bewohnern Bayerns, ohne eine Unterscheidung im Hinblick auf die Staatsbürgerschaft zu machen.
Menschenrechte sind unteilbar und sollten für alle Menschen in unserer Gesellschaft gelten. Dies muss auch auf unsere Verfassungswirklichkeit übertragen werden.