Kleine Anfrage
Kleine Anfrage: Die humanitäre und asylpolitische Lage in EU-Hotspots in Griechenland
Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, Michel Brandt, Christine Buchholz, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Amira Mohamed Ali, Niema Movassat, Zaklin Nastic, Tobias Pflüger, Martina Renner, Eva-Maria Schreiber, Helin Evrim Sommer, Kersten Steinke, Friedrich Straetmanns, Dr. Kirsten Tackmann, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE. (Drucksache 19/5320)
Die humanitäre und asylpolitische Lage in EU-Hotspots in Griechenland
Sogenannte von der EU finanzierte Hotspots in Griechenland sind mittlerweile zu Dauerlagern geworden, in denen sich Flüchtlinge in einem Schwebezustand zwischen Zurückweisung in die Türkei und Verbringung aufs griechische Festland als Teil der EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik befinden. Die humanitäre Situation in den Lagern wird immer wieder von Nichtregierungsorganisationen (NGO) scharf kritisiert. Beispielsweise sagte George Protopapas, Leiter der NGO SOS-Kinderdörfer über den EU-Hotspot Moria: „Das Camp ist ein Verstoß gegen jegliche Menschenrechte. Kinder leben hier ohne Schutz, in ständiger Angst und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Sie haben keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen, bekommen keine psychologische Unterstützung. An einem Ort, an dem ihnen geholfen werden sollte, werden sie erneut traumatisiert. Es geht ihnen so schlecht, dass sie sich selbst verletzen und bereits Zehnjährige Selbstmordversuche unternommen haben.“ Nach Angaben der NGO leben in dem für 3 100 Menschen ausgelegten Camp Moria fast 9 000 Menschen, darunter etwa 2 500 Kinder. 70 Prozent kommen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, Protopapas sagt weiter: „Im August landeten im Schnitt täglich 114 Menschen auf der Insel – in dem Glauben, dem Horror entkommen zu sein. In Camp Moria erwartet sie die nächste Hölle!“ (www.sos-kinderdoerfer.de/presse/ pressemitteilungen/griechischenland-fluchtlingscamp-lesbos-schliessen).
Der UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen) warnt in einem Bericht vom 8. September 2018 ebenfalls: „Viele der Menschen befinden sich Monate auf den Inseln und die Bedingungen haben ihre physische und geistige Gesundheit beeinträchtigt. Die Bedrohung durch Gewalt, Selbstverletzung und sexuelle Übergriffe ist höchst besorgniserregend …“ (www.unhcr.org/news/ briefing/2017/9/59b24a377/unhcr-urges-action-ease-conditions-greek-islands. html). Der UNHCR hatte ebenfalls am 31. August die Lage in den sogenannten Reception and Identification Centers, die auch als Hotspots bezeichnet werden, deutlich kritisiert und insbesondere auf die massive Überfüllung und die sich „schnelle verschlechternden Bedingungen“ hingewiesen. Besonders dramatisch sei die Lage im Lager Moria auf Lesbos, wo die Menschen alleine Stunden anstehen müssten, um medizinische Behandlung zu erfahren. Auch der UNHCR kritisierte die inneren Spannungen in den Hotspots, sexualisierte Gewalt und mangelhafte medizinische und psycho-soziale Versorgung (www.unhcr.org/news/briefing/ 2018/8/5b88f5c34/unhcr-urges-greece-address-overcrowded-reception-centres- aegean-islands.html).
In den weiteren „Hotspot“-Lagern auf den Inseln Samos (Camp Vathy), Chios (Camp Vial), Leros und Kos ist die Situation nicht besser: Auch diese Lager sind überbelegt, auch dort sind die Lebensbedingungen katastrophal. Das Europäische Parlament hat mit Bericht von Juni 2018 wieder auf die unmenschlichen Zustände in den „Hotspots“ aufmerksam gemacht: „The lack of sufficient shelters for unaccompanied minors remains an issue in the Greek hotspots, together with addressing the needs of vulnerable groups. Overcrowding has created additional pressure on infrastructure, on medical services, and waste management (www. europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2018/623563/EPRS_BRI(2018)6235 63_EN.pdf). Auch auf Samos ist nach Angaben des UNHCR der dort für 700 Personen ausgelegte „EU-Hotspot“ von Vathy mit 1 900 Menschen massiv überbelegt. Auch dort leben ebenfalls 600 Kinder sowie schwangere Frauen, schwer Erkrankte und Menschen mit Behinderung unter katastrophalen Bedingungen (www.unhcr.org/news/briefing/2017/9/59b24a377/unhcr-urges-action-ease- conditions-greek-islands.html). Nach im Magazin „DER SPIEGEL“ zitierten offiziellen griechischen Angaben befinden sich im Moment auf Lesbos, Samos, Chios und Kos insgesamt etwa 19 000 Schutzsuchende, die Lager dort seien aber nur für 6 000 Menschen ausgelegt (www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland- uno-kritisiert-lage-in-fluechtlingslagern-a-1226023.html).
Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) entsendet Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als „Experten“ vor Ort unterstützen sollen. Eine Untersuchung mehrerer Interviews unter Beteiligung von EASO hat jedoch ergeben, dass EASO einerseits seine Kompetenzen des „Unterstützens“ überschreitet und andererseits fehlerhafte Entscheidungsvorschläge an die griechische Asylbehörde adressiert hat (www.ecchr.eu/fall/hotspots-in-griechenland-beschwerde- gegen-das-europaeische-asyl-buero-easo/).
Die Zuständigkeit von EASO wurde durch ein Änderungsgesetz des griechischen Asylgesetzes erweitert, so dass EASO nach griechischem Recht, bei Bedarf, mehr Kompetenzen unter anderem bezüglich Asylanhörungen eingeräumt werden (www.synigoros.gr/resources/docs/n4540-2018.pdf).
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