Frauenpolitik in Baden-Württemberg – Was tun?
Frauenpolitische Tour Part II: Gespräch mit dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV)
Nach dem Gespräch mit dem Landesfrauenrat geht es weiter nach Stuttgart. Dort treffen wir Brigitte Rösiger, Geschäftsführerin vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter. Gerade Alleinerziehende, zu über 90 Frauen, sind von Armut bedroht. Bisher ging man davon aus, dass dies auf rund die Hälfte aller Alleinerziehenden zutrifft. „Leider ein Irrtum“, stellt Rösiger fest und führt aus: „Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass 68 Prozent der Alleinerziehenden 2015 armutsgefährdet waren. Nach der OECD-Methodik sind es mit 46 Prozent deutlich weniger. Das Armutsrisiko von Familien sei damit deutlich höher als bislang angenommen, schreiben die Forscher der Ruhr-Universität Bochum, die die Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellt haben. Sie kritisieren die in der Armutsforschung weitverbreitete OECD-Methodik und setzen auf eine neue Berechnungsart. Die OECD macht bei der Betrachtung der zusätzlichen Kosten für Kinder keinen Unterschied zwischen armen und reichen Familien. Die Ruhr-Universität argumentiert hingegen: Für eine ärmere Familie sei ein Kind finanziell eine größere zusätzliche Belastung als für eine reiche Familie. So müsse beispielsweise ein wohlhabendes Paar wahrscheinlich nicht umziehen, wenn es ein Kind bekommt – weil es ohnehin schon in einer großen Wohnung wohnt. Die Ruhr-Universität berechnete diese Unterschiede in ihrer Studie mit ein. Diese immens hohe Armutsbetroffenheit ist ein enormes Problem, gerade wenn die Kaltmiete inzwischen mehr als die Hälfte des verfügbaren Einkommens einnimmt. Viele alleinerziehende Eltern haben kein eigenes Schlafzimmer mehr“.
„Gerade auch in Mannheim ist die Zahl der armutsgefährdeten Alleinerziehenden sehr hoch, deswegen braucht es eine ganze Reihe von Maßnahmen“, so Akbulut. Die Mannheimer Abgeordnete weiter: „Als Fraktion DIE LINKE fordern wir schon länger eine eigenständige Kindergrundsicherung. Chancengleichheit ist in Deutschland oft leider kaum mehr als hohle Phrase. Vielmehr wird Armut vererbt, schließlich landen Kinder von armen Eltern in der Regel selbst in der Armut. Gerade Alleinerziehende haben es schwer. Hohe Gebühren für Kinderbetreuung und unflexible Öffnungszeiten erschweren die Berufstätigkeit. Zudem werden Frauen deutlich schlechter bezahlt und haben im Niedriglohnbereich auch keine Perspektive auf eine Rente, die vor Altersarmut schützt. Hier braucht es endlich eine bessere Absicherung, Kinder dürfen keine Armutsfalle sein – auch nicht für Alleinerziehende!“
Besonders verschlechtert hat sich die Situation zudem durch die Reform des Unterhaltsrechts von 2008. Nun besteht eine Unterhaltspflicht nur noch bis das Kind drei Jahre alt wird. Der erziehende Part, in der Regel die Mutter, muss oft von heute auf morgen ein auskömmliches Einkommen sicherstellen. „Das ist in der Realität oft kaum zu leisten. Umso wichtiger ist es, das Angebot an Ganztagesschulplätzen auszubauen. Derzeit besteht dieses gerade einmal für 23,7 % der Kinder und damit liegt Baden-Württemberg auf dem vorletzten Platz im Ländervergleich. Alleinerziehende erleben verschiedene Benachteiligungen, gerade auch wenn sie im SGB-II Bezug sind. Der VAMV fordert deswegen, dass der Unterhaltsvorschuss beim Kinderzuschlag nicht angerechnet werden darf. Das Wechselmodell als Leitbild lehnen wir ab, schließlich spiegelt es die Lebensrealität von gerade mal 5% ab“, so Rösiger. „Darüber hinaus halte ich es auch für wichtig, dass nicht nur der Unterhaltsvorschuss nicht verrechnet werden darf, sondern auch das Kindergeld. Um Kinderarmut aber wirklich zu bekämpfen, braucht es eine wirkliche Mindestsicherung für Kinder und gebührenfreie Bildung und Betreuung, von der Kita an!“, ergänzt Akbulut.