Gökay Akbulut

Demokratie braucht mehr als einen Rechtspakt


Demokratie braucht mehr als einen Rechtspakt

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Bundesjustizministerin Barley hatte zuletzt im Mai, als der Haushaltsentwurf hier debattiert wurde, mit den Worten „Die Stärkung der Demokratie und der Rechtsschutz der Bürger und der Verbraucherschutz sollten gestärkt werden“ für ihren Rechtspakt geworben.

Es stellt sich die Frage: Was bleibt von dem Pakt für den Rechtsstaat übrig? Nicht viel!

Das zeigt sich unter anderem am praktischen Beispiel der Musterfestellungsklage, die die Regierungsparteien hier im Eilverfahren durch das Parlament peitschten, die aber wie so vieles viel zu kurz greift und darüber hinaus auch noch verbraucherunfreundlich ist und hauptsächlich den Konzernen bei betrügerischen Geschäftspraktiken hilft.

Und dann ist da noch die Stärkung der Demokratie.

Demokratie stärken heißt auch die Menschen zu unterstützen, die Opfer von Demokratiefeinden geworden sind. Dazu gehören auch so genannte Härteleistungen, die aus dem Haushalt des BMJV an die Opfer eines extremistischen Übergriffs gezahlt werden können. Der Fonds diente bis vor ein paar Jahren noch ausschließlich für Opfer rechter Gewalt.

Meine Damen und Herren, allein bis Mitte Mai 2018 wurden schon über 450.000,00 EUR an Opfer rechtsextremistischer Taten gezahlt. Bei so genannten linksextremistischen Fällen kein einziger Cent.

93 Prozent der Entschädigungen gingen an Opfer rechter Gewalt, ähnliches spiegelt sich in der Auswertung der politisch motivierten Taten wider.

Das zeigt insbesondere eins: Angriffe auf unsere Demokratie kommen von rechts!

Die von der Bundesregierung internalisierte und gepushte Extremismus Doktrin ist nicht mehr als eine eindimensionale Konstruktion und Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus und hilft hier nicht! Die Bundesregierung muss sich entschiedener gegen die Angreifer der Demokratie einsetzen! Ein Fonds für Härteleistungen reicht da nicht!

Meine Damen und Herren, wir hatten diese Woche ein Fachgespräch zum Thema Demokratie und Menschenwürde. Die Referent*innen von anerkannten Stiftungen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden und sich vehement für demokratische Ziele einsetzen haben uns berichtet, dass sie regelmäßig Morddrohungen erhalten!

Und das zeigt genau: Für den Erhalt der Demokratie muss man mehr tun als nur einen Rechtspakt beschließen, der das Grundproblem nicht angeht: nämlich sich entschieden gegen Rassisten, Faschisten und Antisemiten einzusetzen und das auch hier im Parlament!

Der Haushaltsentwurf sieht auch eine Aufstockung der Mittel des Generalbundesanwalts vor. Das begrüßen wir natürlich, weil die Kosten von Großverfahren wie der des NSU-Verfahrens für Länder kompensiert werden soll. Dort wird nächste Woche voraussichtlich am 11. Juli das Urteil fallen. Zwar werden von dem Gericht einige wenige Täter*innen verurteilt werden, aber das komplette Netzwerk des NSU mit seinen nationalen und internationalen Verknüpfungen besteht weiterhin. Anders als von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Bekanntwerden des NSU versprochen, wurde hier nicht schonungslos aufgeklärt. Komplexe Nazi Netzwerke müssen gesamtgesellschaftlich angegriffen werden.

Ein weiterer Aspekt des Justiz Etats ist der Stellenausbau auf Bundesebene, den ich begrüße, damit es mehr Entlastung gibt.

Ein Stellenausbau allein reicht aber nicht! Die Gleichstellungsstatistik des Bundesverwaltungsgerichts zeigt, dass von insgesamt 44 Richter*innenstellen nur 13 von Frauen besetzt sind. Das sind gerade mal 29 Prozent!

Beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe und Leipzig sieht es ähnlich aus. Personen, die einen divers kulturellen Hintergrund haben lassen sich schon gar nicht in solchen Ämtern finden. Dabei sollte die Bundesjustiz mit gutem Beispiel vorangehen und verbindliche Gleichstellungsmaßnahmen sowie eine interkulturelle Öffnung auf Bundesebene vorantreiben!

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit

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