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SS-Mörder als Opfer




Die Bundesregierung sieht in einem Teilnehmer der Wannseekonferenz 1942 weiterhin ein »Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft«. Das fand die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Die Linke) durch eine vergangene Woche beantwortete schriftliche Frage heraus, deren Antwort jW vorliegt. Der 1910 geborene Jurist Rudolf Lange war der jüngste Teilnehmer der Konferenz am 20. Januar 1942, auf der hochrangige Vertreter des Naziregimes die organisatorische Umsetzung der »Endlösung der Judenfrage« planten.

Im lettischen Riga war der SS-Standartenführer als Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD für die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung verantwortlich. Am 23. Februar 1945 nahm sich Lange das Leben, um nicht in Gefangenschaft der Roten Armee zu geraten. Sein Name fand sich neben denen gefallener deutscher Soldaten auf einer Bronzetafel auf der 1994 angelegten deutschen Kriegsgräberstätte innerhalb des größten städtischen Friedhofs von Poznan. »Soweit bekannt starb Rudolf Lange 1945 bei der Schlacht um Posen und ist damit ein deutscher Kriegstoter im Sinne des Abkommens vom 8. Dezember 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Gräber von Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft«, rechtfertigte die Bundesregierung dieses Gedenken nun in ihrer Antwort.

Allerdings habe der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Gedenktafel auf Bitten seiner polnischen Partnerorganisation im Jahr 2020 entfernt. Es sei an Zynismus kaum zu überbieten, dass einem Organisator des Völkermordes überhaupt eine solche Ehrung zu Teil geworden war, meint Akbulut gegenüber jW. Mit dem aus öffentlichen Mitteln finanzierten Erhalt der Gräber von Naziverbrechern bis hin zu KZ-Kommandanten auf Kriegsgräberanlagen müsse endlich Schluss sein.


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